Gerade zu Ostern spüren die Griechen die Folgen der Wirtschaftskrise
Die breite Verarmung in Griechenland spiegelt sich im einst generös organisierten Osterfest wider. Familienbande lösen sich auf, Feiern werden mit Freunden improvisiert. Doch viele, die kein Geld mehr haben, vergraben sich zu Hause.
Es waren die höchsten Feiertage im Jahr, die wichtigsten, immer wiederkehrenden Momente im Leben einer Familie und ihrer Freunde. Ostern hat auch jetzt noch diese große Bedeutung für die Griechen, und sei es, weil viel davon nur noch schmerzliche Erinnerung an glücklichere Tage ist. Denn zum gemeinsamen Feiern fehlt das Geld. „Die Mittelklasse ist tot“, sagt Ulrice Evangeliou, eine deutsche Erzieherin, die seit einem Vierteljahrhundert in Griechenland lebt und ihre Familie mit kleinen Jobs durchbringt. Ostern in Griechenland ist ein Spiegel geworden für die Wunden, die Rezession und Verarmung in den vergangenen acht Jahren geschlagen haben.
„Früher hätte man gesagt: Kommt alle, und fertig. Die Gäste zu bitten, etwas mitzubringen, war schon peinlich“, erinnert sich Evangeliou. Am Ostersonntag wurden ganze Lämmer gegrillt, auf einem Spieß über dem Feuer im Garten für zehn, zwanzig Gäste – Verwandte, Nachbarn, gute Freunde. Jetzt kommen sie mit Wein oder legen Geld zum Braten dazu. Und wer nichts mitzubringen hat, bleibt aus Scham zu Hause. „Das ist die soziale Isolation“, sagt Ulrice Evangeliou. „Zu Ostern sieht man sie nur ganz arg, aber sie ist jeden Tag da.“
Ein Land im Würgegriff
Knapp ein Viertel der Griechen lebt mittlerweile unter der Armutsgrenze mit weniger als 350 Euro Einkommen im Monat. Dies ist nur der extreme Auswuchs der Finanzkrise, die das Land zuerst verdeckt, ab 2010 dann für alle Welt sichtbar im Würgegriff hält. Tod und Auferstehung, der Zyklus von Ostern, mag da eine Art Trost sein für jene Griechen, die religiös sind. Eine Art Versprechen für Jobs und die Rückkehr zu einem normalen Leben in einer Zukunft, die noch niemand sieht.
Vom Palmsonntag an, an jedem Tag der „megali evdomada“, der „großen Woche“, wie die Karwoche in Griechenland genannt wird, zelebrieren Popen und Bischöfe eine Messe mit einem anderen Thema: am Montag die Geschichte von Josef in Ägypten, das Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen am Dienstag, die Pharisäer und Judas am Mittwoch, Fußwaschung und Abendmahl am Gründonnerstag, am „großen Freitag“Kreuzigung und Prozessionen. Das Land kommt dann langsam zum Stillstand.
Die Jungen sind weg
„Die Familien sind nicht mehr komplett“, sagt Sofia Matouri, eine Athener Innenarchitektin. Viele der jungen Griechen haben Griechenland den Rücken gekehrt. Das Geld und die Zeit für einen Besuch zu Hause über Ostern haben die meisten nicht. „Wenn ich noch 20 wäre, dann wäre ich auch gegangen“, sagt Matouri. Sie ist 39 und schlägt sich allein mit einem eigenen Unternehmen durch. Zu Ostern fährt sie mit ihren Eltern und der Schwester zu einem Landhaus in der Nähe von Korinth. Im Garten dort steht noch ein Steinofen des Großvaters. Dort hinein kommt der Lammbraten.
Der noch verheerendere Schaden, den jahrzehntelange Misswirtschaft, dann der Zwang zur radikalen Sparpolitik anrichteten, traf die nächsten zwei Viertel der griechischen Gesellschaft: die Mittelschicht. 30 bis 40 Prozent Einbußen bei Gehältern und Pensionen, Unternehmensschließungen, Steuer- und Beitragserhöhungen, die eine legale selbstständige Arbeit nicht länger rechenbar machen, haben Griechenlands Mittelschicht zerrieben. Sie sitzt in Häusern, die sie sich nicht mehr leisten kann, aber die niemand will. Sie führt Geschäfte fort, die oft nur noch Schulden produzieren, doch deren Schließung das Aus für die Familie bedeuten würde – kein Strom mehr, keine Kreditkarte, dafür Pfändung und Zwangsversteigerung.
Dimitri Babassikas, einem pensionierten Geologen, und seiner Frau Niki geht es daran gemessen noch sehr gut. Das Ehepaar lebt zusammen mit Tochter und Großmutter in einem Haus in Penteli, einer Athener Vorstadt auf dem gleichnamigen Berg. Ein bekanntes Kloster liegt dort ebenfalls. „Wir versuchen, wie früher zu feiern“, sagt Dimitri Babassikas, „unsere Tür ist offen. Jeder kann kommen.“Niki backt und kocht jeden Tag, Gerichte für die letzten Fastentage, Magiritsa – die Suppe in der Osternacht – und Koulourakia, das Buttergebäck für den Tag danach. Am Ostersonntag werden sie wieder ein Lamm im Gar grillen und Nachbarn einlad „Wir möchten die Leute, die all sind, an diesem Tag nicht alle lassen“, sagt Dimitri Babassika
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