Studium abbrechen oder nicht?
Was ist der normale Stress, und was sind Indikatoren für eine falsche Studienwahl? In seinem neuen Buch gibt Studienberater Peter Piolot Entscheidungshilfen – und skizziert, wie man das Beste aus dem Abbruch eines Studiums macht.
Wien – Mit alten Häusern, die man ja nicht gleich abreißen muss, sondern auch sanieren oder umbauen kann, vergleicht Peter Piolot den Abbruch eines Studiums. „Vieles im Leben läuft nicht wie geplant“, schreibt der Studienberater in seinem aktuellen Buch. „Dabei besteht die Kunst doch einfach darin, das Beste aus der Situation zu machen.“Schließlich stehe nirgends geschrieben, dass man nur als Lehrer, Naturwissenschafter oder Jurist glücklich werde. „Sie wissen nicht, was Ihnen die Zukunft noch bringt und wie Ihr Lebensweg weiter verläuft. Liegt da nicht die theoretische Frage nahe: Wer weiß, wozu es noch gut ist?“
Aber nicht jedes Problem ist gleich Indikator für eine falsche Wahl. Und nicht bei jedem Trouble muss man gleich die Reißleine ziehen. In Don’t panic – Studienabbruch als Chance skizziert Piolot Möglichkeiten, um eine Studienkrise zu bewältigen.
Hilfe beim Entscheiden
Zunächst gelte es, die Situation richtig einzuschätzen. „Ist das noch der normale Stress, den jeder im Studium hat? Wann sind Motivationsprobleme oder Ängste Zeichen einer gravierenden Leistungskrise? Reicht es aus, wenn Sie etwas mehr Selbstdisziplin aufbringen, oder zeichnet es sich ab, dass Sie mit dem Fach nie und nimmer zurechtkommen?“
Keinesfalls solle man ein Studium nur deshalb fortführen, damit die bereits investierte Zeit und Kraft nicht „verloren“sind. Psy- chologen bezeichnen dieses Entscheidungsverhalten – den alten Weg beizubehalten, obwohl er nicht so funktioniert wie gewünscht – als Escalating Commitment. Je länger man die Entscheidung über einen Abbruch aufschiebe, desto mehr klammere man sich an „ein möglicherweise schon nicht mehr zu rettendes Studium“, sagt Piolot.
Eine Strategie, um das zu vermeiden, sei, sich selbst einen Meilenstein zu setzen. „Damit haben Sie ein handfestes Mittel, den Zeitpunkt der Entscheidung nicht unnötig hinauszuzögern.“Man solle ihn auf ein Blatt Papier notieren, Familie und Freunde darüber informieren. Auch solle man nicht unnötig viele Informationen sammeln, sonst sehe man den vielzitierten Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Bei komplexen Entscheidungen würden nämlich kleinste Details selten weiterhelfen, zu schwer prognostizierbar ist die Zukunft. Piolot rät zur „Take-the-best-Heuristik“: Aktuelle und relevante Infos haben Vorrang, ebenso solche aus erster Hand. „Wenn Informationen zu einem Aha-Erlebnis führen, sind sie besonders hilfreich, denn sie helfen Ihnen, etwas neu zu bewerten, an das Sie vorher möglicherweise nicht gedacht haben.“
Kriterien, nach denen man seine Entscheidung treffen will, können auf einer Liste notiert werden. Positive – wie Interessen, Fähigkeiten, Berufsziele – zeigen Möglichkeiten auf, negative – ein Umzug beispielsweise – schränken die Wahl ein. Echte Interessen gelte es zu trennen von „interessant Finden“, das „aus dem Reiz des Neuen resultiert und sich schnell abnützt“. Auch rationale Kriterien, wie die Chancen am Arbeitsmarkt, sollten miteinbezogen werden.
Dranbleiben
Ein Studium fortzuführen sei eine geeignete Lösung für alle,
die die Inhalte ihres Studiums interessieren, aber von der Organisation oder dem Lernstoff überfordert sind.
die die Umstellung von der Schule zur Hochschule noch nicht geschafft haben.
die die Einführungen zu Studienbeginn verpasst haben – oder den Anschluss verloren haben, das aber jetzt ändern möchten. „Man ist also nach wie vor überzeugt davon, dass die Studienwahl grundsätzlich in Ordnung war“, schreibt Piolot. Die Leistungsbilanz ist zwar schlecht oder man ist mit der Planung überfordert, aber die Inhalte interessieren – ein Anlass, sich neu zu organisieren. Das gelinge mit Zielen, „sie verleihen unserem Handeln Orientierung und Bedeutung“, schreibt der Autor.
Der gute Rat: Die Studienkrise zum Anlass nehmen, das Berufsziel zu überprüfen. Dabei, das festzustellen, können Praktika dienlich sein. Bei Studiengängen, die für keinen konkreten Beruf ausbilden – Beispiele sind Sozialwissenschaften, Volkswirtschaftslehre –, könne man beginnen, sich langsam Berufsperspektiven zu erarbeiten. Auch hierbei hilft Praxiserfahrung oder der Kontakt mit dem Career-Center an der Hochschule. Spezialisierungen lenken den beruflichen Weg ebenfalls in eine Richtung.
So manch einer müsse auch lernen, disziplinierter zu arbeiten.
QQQWie das gelingen kann, dazu hat Piolot einige Techniken parat. Darunter Zeitmanagementtaktiken und Tipps fürs Lesen und Zusammenfassen von Studientexten. Das Ziel: Lernen in den Tagesrhythmus einbauen, zu einer Gewohnheit machen. Empfehlenswert sei außerdem, sich in einer Studienkrise Unterstützung zu holen. Bei fachlichen Problemen sind Fakultätsberatungen oder Studienkollegen eine Anlaufstelle. Bei Schreibblockaden, Konzentrationsschwierigkeiten, Prüfungsangst oder persönlichen Problemen kann die Studienberatung helfen.
Das Fach wechseln
Den Studiengang zu wechseln, beschreibt Piolot als eine Lösung für alle,
die zwar gerne studieren, aber nicht ihr Fach.
die zwar gerne studieren, aber auf der Suche nach einem leichteren bzw. besser strukturierten Studiengang sind.
die bei ihrem Studiengang eine konkrete Berufsperspektive vermissen.
Damit aus dem Fachwechsel kein „Studiengangshopping“wird, damit man diesmal das für sich richtige Studium findet, rät der Autor dazu, zunächst darüber nachzudenken, warum das letzte Studium falsch war. „Sie können aus Fehlern lernen“. Fragen, die man sich stellen könne: „Wie war Ihre Studienvorbereitung? Haben Sie genügend Zeit investiert? Was stört Sie konkret an Ihrem aktuellen Studium? Welche Vorteile soll das neue Studium gegenüber dem alten bieten?“
QQQAb in die Arbeitswelt
Scheiden beide Varianten – das alte Studium fortsetzen, ein neues beginnen – aus, kann das heißen: ab in die Arbeitswelt. Laut Piolot die geeignete Lösung für alle, denen die Uni zu praxisfern ist. die in ihrem Nebenjob eine befriedigendere Tätigkeit gefunden haben.
die durch fehlgeschlagene Prüfungen oder äußere Umstände gezwungen sind, ihr Studium zu beenden. Der erste Schritt müsse sein, Bedauern und Ängste zu überwinden. Nur mit einem gestärkten Selbstbewusstsein sei man bei der Jobsuche erfolgreich, schreibt Piolot.
Wichtig: Gespräche mit Freunden und Verwandten, deren Erwartungen möglicherweise enttäuscht wurden, lieber früher als später zu führen. Was dann ansteht, sei eine Neuorientierung. Sie kann man, ähnlich wie beim Studienwechsel, durch verschiedene Fragen einleiten: „Was kann ich gut, und was interessiert mich? In welcher Branche, bei welcher Art von Unternehmen will ich arbeiten? Wie sehen die entsprechenden Jobs aus?“
Ein Blick in den Lebenslauf zeige, dass es darin vielleicht doch einen roten Faden, eine gewisse Kontinuität gab. Diese aufzuzeigen helfe in Bewerbungsgesprächen. Dort gelte es darüber hinaus, klar beschreiben zu können, was man zu bieten hat.
Die Übergangszeit vom Studium zu einen Job empfiehlt Piolot so zu nutzen, dass man noch von den Vorteilen profitiert, die einem die Hochschule bietet. Man könne sich dort meist kostenlos weiterbilden, Fremdsprachen-, IT-Kurse oder Lehrveranstaltungen aus anderen Fächern belegen. Viele Hochschulen bieten auch Schreibworkshops an, CareerCenter helfen bei der Jobsuche.
QPeter Piolot, Don’t panic! Studienabbruch als Chance. € 18,– / 216 Seiten. UVK-Verlagsgesellschaft mbH, 2016