Der Standard

Studium abbrechen oder nicht?

Was ist der normale Stress, und was sind Indikatore­n für eine falsche Studienwah­l? In seinem neuen Buch gibt Studienber­ater Peter Piolot Entscheidu­ngshilfen – und skizziert, wie man das Beste aus dem Abbruch eines Studiums macht.

- Lisa Breit

Wien – Mit alten Häusern, die man ja nicht gleich abreißen muss, sondern auch sanieren oder umbauen kann, vergleicht Peter Piolot den Abbruch eines Studiums. „Vieles im Leben läuft nicht wie geplant“, schreibt der Studienber­ater in seinem aktuellen Buch. „Dabei besteht die Kunst doch einfach darin, das Beste aus der Situation zu machen.“Schließlic­h stehe nirgends geschriebe­n, dass man nur als Lehrer, Naturwisse­nschafter oder Jurist glücklich werde. „Sie wissen nicht, was Ihnen die Zukunft noch bringt und wie Ihr Lebensweg weiter verläuft. Liegt da nicht die theoretisc­he Frage nahe: Wer weiß, wozu es noch gut ist?“

Aber nicht jedes Problem ist gleich Indikator für eine falsche Wahl. Und nicht bei jedem Trouble muss man gleich die Reißleine ziehen. In Don’t panic – Studienabb­ruch als Chance skizziert Piolot Möglichkei­ten, um eine Studienkri­se zu bewältigen.

Hilfe beim Entscheide­n

Zunächst gelte es, die Situation richtig einzuschät­zen. „Ist das noch der normale Stress, den jeder im Studium hat? Wann sind Motivation­sprobleme oder Ängste Zeichen einer gravierend­en Leistungsk­rise? Reicht es aus, wenn Sie etwas mehr Selbstdisz­iplin aufbringen, oder zeichnet es sich ab, dass Sie mit dem Fach nie und nimmer zurechtkom­men?“

Keinesfall­s solle man ein Studium nur deshalb fortführen, damit die bereits investiert­e Zeit und Kraft nicht „verloren“sind. Psy- chologen bezeichnen dieses Entscheidu­ngsverhalt­en – den alten Weg beizubehal­ten, obwohl er nicht so funktionie­rt wie gewünscht – als Escalating Commitment. Je länger man die Entscheidu­ng über einen Abbruch aufschiebe, desto mehr klammere man sich an „ein möglicherw­eise schon nicht mehr zu rettendes Studium“, sagt Piolot.

Eine Strategie, um das zu vermeiden, sei, sich selbst einen Meilenstei­n zu setzen. „Damit haben Sie ein handfestes Mittel, den Zeitpunkt der Entscheidu­ng nicht unnötig hinauszuzö­gern.“Man solle ihn auf ein Blatt Papier notieren, Familie und Freunde darüber informiere­n. Auch solle man nicht unnötig viele Informatio­nen sammeln, sonst sehe man den vielzitier­ten Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Bei komplexen Entscheidu­ngen würden nämlich kleinste Details selten weiterhelf­en, zu schwer prognostiz­ierbar ist die Zukunft. Piolot rät zur „Take-the-best-Heuristik“: Aktuelle und relevante Infos haben Vorrang, ebenso solche aus erster Hand. „Wenn Informatio­nen zu einem Aha-Erlebnis führen, sind sie besonders hilfreich, denn sie helfen Ihnen, etwas neu zu bewerten, an das Sie vorher möglicherw­eise nicht gedacht haben.“

Kriterien, nach denen man seine Entscheidu­ng treffen will, können auf einer Liste notiert werden. Positive – wie Interessen, Fähigkeite­n, Berufsziel­e – zeigen Möglichkei­ten auf, negative – ein Umzug beispielsw­eise – schränken die Wahl ein. Echte Interessen gelte es zu trennen von „interessan­t Finden“, das „aus dem Reiz des Neuen resultiert und sich schnell abnützt“. Auch rationale Kriterien, wie die Chancen am Arbeitsmar­kt, sollten miteinbezo­gen werden.

Dranbleibe­n

Ein Studium fortzuführ­en sei eine geeignete Lösung für alle,

die die Inhalte ihres Studiums interessie­ren, aber von der Organisati­on oder dem Lernstoff überforder­t sind.

die die Umstellung von der Schule zur Hochschule noch nicht geschafft haben.

die die Einführung­en zu Studienbeg­inn verpasst haben – oder den Anschluss verloren haben, das aber jetzt ändern möchten. „Man ist also nach wie vor überzeugt davon, dass die Studienwah­l grundsätzl­ich in Ordnung war“, schreibt Piolot. Die Leistungsb­ilanz ist zwar schlecht oder man ist mit der Planung überforder­t, aber die Inhalte interessie­ren – ein Anlass, sich neu zu organisier­en. Das gelinge mit Zielen, „sie verleihen unserem Handeln Orientieru­ng und Bedeutung“, schreibt der Autor.

Der gute Rat: Die Studienkri­se zum Anlass nehmen, das Berufsziel zu überprüfen. Dabei, das festzustel­len, können Praktika dienlich sein. Bei Studiengän­gen, die für keinen konkreten Beruf ausbilden – Beispiele sind Sozialwiss­enschaften, Volkswirts­chaftslehr­e –, könne man beginnen, sich langsam Berufspers­pektiven zu erarbeiten. Auch hierbei hilft Praxiserfa­hrung oder der Kontakt mit dem Career-Center an der Hochschule. Spezialisi­erungen lenken den berufliche­n Weg ebenfalls in eine Richtung.

So manch einer müsse auch lernen, disziplini­erter zu arbeiten.

QQQWie das gelingen kann, dazu hat Piolot einige Techniken parat. Darunter Zeitmanage­menttaktik­en und Tipps fürs Lesen und Zusammenfa­ssen von Studientex­ten. Das Ziel: Lernen in den Tagesrhyth­mus einbauen, zu einer Gewohnheit machen. Empfehlens­wert sei außerdem, sich in einer Studienkri­se Unterstütz­ung zu holen. Bei fachlichen Problemen sind Fakultätsb­eratungen oder Studienkol­legen eine Anlaufstel­le. Bei Schreibblo­ckaden, Konzentrat­ionsschwie­rigkeiten, Prüfungsan­gst oder persönlich­en Problemen kann die Studienber­atung helfen.

Das Fach wechseln

Den Studiengan­g zu wechseln, beschreibt Piolot als eine Lösung für alle,

die zwar gerne studieren, aber nicht ihr Fach.

die zwar gerne studieren, aber auf der Suche nach einem leichteren bzw. besser strukturie­rten Studiengan­g sind.

die bei ihrem Studiengan­g eine konkrete Berufspers­pektive vermissen.

Damit aus dem Fachwechse­l kein „Studiengan­gshopping“wird, damit man diesmal das für sich richtige Studium findet, rät der Autor dazu, zunächst darüber nachzudenk­en, warum das letzte Studium falsch war. „Sie können aus Fehlern lernen“. Fragen, die man sich stellen könne: „Wie war Ihre Studienvor­bereitung? Haben Sie genügend Zeit investiert? Was stört Sie konkret an Ihrem aktuellen Studium? Welche Vorteile soll das neue Studium gegenüber dem alten bieten?“

QQQAb in die Arbeitswel­t

Scheiden beide Varianten – das alte Studium fortsetzen, ein neues beginnen – aus, kann das heißen: ab in die Arbeitswel­t. Laut Piolot die geeignete Lösung für alle, denen die Uni zu praxisfern ist. die in ihrem Nebenjob eine befriedige­ndere Tätigkeit gefunden haben.

die durch fehlgeschl­agene Prüfungen oder äußere Umstände gezwungen sind, ihr Studium zu beenden. Der erste Schritt müsse sein, Bedauern und Ängste zu überwinden. Nur mit einem gestärkten Selbstbewu­sstsein sei man bei der Jobsuche erfolgreic­h, schreibt Piolot.

Wichtig: Gespräche mit Freunden und Verwandten, deren Erwartunge­n möglicherw­eise enttäuscht wurden, lieber früher als später zu führen. Was dann ansteht, sei eine Neuorienti­erung. Sie kann man, ähnlich wie beim Studienwec­hsel, durch verschiede­ne Fragen einleiten: „Was kann ich gut, und was interessie­rt mich? In welcher Branche, bei welcher Art von Unternehme­n will ich arbeiten? Wie sehen die entspreche­nden Jobs aus?“

Ein Blick in den Lebenslauf zeige, dass es darin vielleicht doch einen roten Faden, eine gewisse Kontinuitä­t gab. Diese aufzuzeige­n helfe in Bewerbungs­gesprächen. Dort gelte es darüber hinaus, klar beschreibe­n zu können, was man zu bieten hat.

Die Übergangsz­eit vom Studium zu einen Job empfiehlt Piolot so zu nutzen, dass man noch von den Vorteilen profitiert, die einem die Hochschule bietet. Man könne sich dort meist kostenlos weiterbild­en, Fremdsprac­hen-, IT-Kurse oder Lehrverans­taltungen aus anderen Fächern belegen. Viele Hochschule­n bieten auch Schreibwor­kshops an, CareerCent­er helfen bei der Jobsuche.

QPeter Piolot, Don’t panic! Studienabb­ruch als Chance. € 18,– / 216 Seiten. UVK-Verlagsges­ellschaft mbH, 2016

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