Codes im Arbeitszeugnis entschlüsseln
Bei Formulierungen in Arbeitszeugnissen wird immer wieder getrickst. Superlative sind darin offenbar Usus. Aber welche Sätze verraten einem schließlich, ob es sich um ein gutes Zeugnis handelt oder nicht?
Wien – Arbeitszeugnisse können oft missverständlich formuliert sein, Sätze enthalten, die einem übertrieben oder gar schwülstig vorkommen. Da kommt schnell die Frage auf: Will der aktuelle Arbeitgeber dem nächsten damit vielleicht etwas mitteilen? Ihm sagen: den oder die besser nicht einstellen?
Ob solche Codes tatsächlich verwendet werden, wollte der STANDARD von Ursula Axmann wissen. Die Geschäftsführerin des ZBP Career Center der Wirtschaftsuniversität Wien sagt, dass es zweifellos gewisse Formulierungen gibt, die zwischen den Zeilen Informationen liefern. Allerdings könne man nicht davon ausgehen, dass jedes Zeugnis von jemandem geschrieben ist, der sich auch damit auskennt. Ein gewisses Misstrauen sei aber jedenfalls angebracht. Worauf man achten sollte:
Auf Schwierigkeiten bei der Zusammenarbeit hindeuten kann der Satz: „Dieses Zeugnis erstellen wir auf Frau Meiers ausdrücklichen Wunsch.“
QSuperlative stehen in Arbeitszeugnissen für eine positive Beurteilung. Fehlt die Formulierung „zu unserer vollsten Zufriedenheit“, sei das alles andere als ideal, sagt Axmann. Ebenso wichtig sei das Wort „stets“– wird es nicht verwendet, könne man vermuten, dass gute Leistungen eine Ausnahme waren.
Hochtrabende Formulierungen sind in Arbeitszeugnissen also
QQUsus – allzu übertrieben sollten sie allerdings nicht sein. Spiegel Online schreibt über einen Fall, in dem ein Arbeitgeber jeden Satz eines vom Mitarbeiter vorformulierten Zeugnisses weiter zuspitzte. „Aus einer ‚sehr guten Auffassungsgabe‘ wurde eine ‚extrem gute‘, und einmal hieß es gar: ‚Wenn es eine bessere Note als Sehr gut geben würde, würden wir ihn damit beurteilen.‘“
No-Go im Arbeitszeugnis sind auch Attribute, die nichts mit der eigentlichen Tätigkeit zu tun haben. Karriereberaterin Axmann bringt als Beispiel: „Hat sich immer gut mit anderen Kollegen verstanden.“
Ebenfalls nachteilig ist es offenbar, wenn Eigenschaften oder Handlungen aufgelistet werden, die selbstverständlich sind. Pünktlichkeit etwa, Sorgfalt oder die Be-
QQreitschaft, im Team zu arbeiten. „Oder: ‚Hat alle übertragenen Arbeiten ordnungsgemäß erledigt‘ =ein Bürokrat ohne Eigeninitiative.“
In einer abschließenden Grußformel drückt der Arbeitgeber üblicherweise sein Bedauern darüber aus, dass der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin das Unternehmen verlässt. Meist endet das Arbeitszeugnis mit den Worten: „Wir wünschen ihm/ihr für den weiteren Berufsweg alles Gute.“Fehlen derlei Schlussworte, sagt Axmann, könne das darauf hindeuten, dass die Trennung nicht im Guten erfolgt ist.
„Wir wünschen ihm/ihr viel Glück für ihre weitere berufliche Laufbahn“sollte in der abschließenden Grußformel nicht vorkommen. Es impliziert, der oder die Angestellte benötige vor allem Glück, um seine/ihre Karriere voranzutreiben.
Hat man das Gefühl, dass das Arbeitszeugnis zum eigenen Nachteil verfasst wurde, rät Axmann zu einem klärenden Gespräch. „Ist der Arbeitgeber nicht bereit, Formulierungen zu ändern, bitten Sie um ein quantitatives Arbeitszeugnis.“Dieses bestätigt lediglich die Art und Dauer der Tätigkeit. Das Gesetz verpflichtet den Arbeitgeber dazu, eine solche Bestätigung auszustellen – das „qualitative“, ausformulierte Arbeitszeugnis beruht hingegen auf Freiwilligkeit.
Axmann zur Frage, wie wichtig überhaupt Arbeitszeugnisse für die Bewerbung sind: „Sie verlieren an Relevanz.“Nachteilig könne es aber niemals sein, sie mit einer Bewerbung mitzuschicken.