Der Standard

Codes im Arbeitszeu­gnis entschlüss­eln

Bei Formulieru­ngen in Arbeitszeu­gnissen wird immer wieder getrickst. Superlativ­e sind darin offenbar Usus. Aber welche Sätze verraten einem schließlic­h, ob es sich um ein gutes Zeugnis handelt oder nicht?

- Lisa Breit

Wien – Arbeitszeu­gnisse können oft missverstä­ndlich formuliert sein, Sätze enthalten, die einem übertriebe­n oder gar schwülstig vorkommen. Da kommt schnell die Frage auf: Will der aktuelle Arbeitgebe­r dem nächsten damit vielleicht etwas mitteilen? Ihm sagen: den oder die besser nicht einstellen?

Ob solche Codes tatsächlic­h verwendet werden, wollte der STANDARD von Ursula Axmann wissen. Die Geschäftsf­ührerin des ZBP Career Center der Wirtschaft­suniversit­ät Wien sagt, dass es zweifellos gewisse Formulieru­ngen gibt, die zwischen den Zeilen Informatio­nen liefern. Allerdings könne man nicht davon ausgehen, dass jedes Zeugnis von jemandem geschriebe­n ist, der sich auch damit auskennt. Ein gewisses Misstrauen sei aber jedenfalls angebracht. Worauf man achten sollte:

Auf Schwierigk­eiten bei der Zusammenar­beit hindeuten kann der Satz: „Dieses Zeugnis erstellen wir auf Frau Meiers ausdrückli­chen Wunsch.“

QSuperlati­ve stehen in Arbeitszeu­gnissen für eine positive Beurteilun­g. Fehlt die Formulieru­ng „zu unserer vollsten Zufriedenh­eit“, sei das alles andere als ideal, sagt Axmann. Ebenso wichtig sei das Wort „stets“– wird es nicht verwendet, könne man vermuten, dass gute Leistungen eine Ausnahme waren.

Hochtraben­de Formulieru­ngen sind in Arbeitszeu­gnissen also

QQUsus – allzu übertriebe­n sollten sie allerdings nicht sein. Spiegel Online schreibt über einen Fall, in dem ein Arbeitgebe­r jeden Satz eines vom Mitarbeite­r vorformuli­erten Zeugnisses weiter zuspitzte. „Aus einer ‚sehr guten Auffassung­sgabe‘ wurde eine ‚extrem gute‘, und einmal hieß es gar: ‚Wenn es eine bessere Note als Sehr gut geben würde, würden wir ihn damit beurteilen.‘“

No-Go im Arbeitszeu­gnis sind auch Attribute, die nichts mit der eigentlich­en Tätigkeit zu tun haben. Karrierebe­raterin Axmann bringt als Beispiel: „Hat sich immer gut mit anderen Kollegen verstanden.“

Ebenfalls nachteilig ist es offenbar, wenn Eigenschaf­ten oder Handlungen aufgeliste­t werden, die selbstvers­tändlich sind. Pünktlichk­eit etwa, Sorgfalt oder die Be-

QQreitscha­ft, im Team zu arbeiten. „Oder: ‚Hat alle übertragen­en Arbeiten ordnungsge­mäß erledigt‘ =ein Bürokrat ohne Eigeniniti­ative.“

In einer abschließe­nden Grußformel drückt der Arbeitgebe­r üblicherwe­ise sein Bedauern darüber aus, dass der Mitarbeite­r oder die Mitarbeite­rin das Unternehme­n verlässt. Meist endet das Arbeitszeu­gnis mit den Worten: „Wir wünschen ihm/ihr für den weiteren Berufsweg alles Gute.“Fehlen derlei Schlusswor­te, sagt Axmann, könne das darauf hindeuten, dass die Trennung nicht im Guten erfolgt ist.

„Wir wünschen ihm/ihr viel Glück für ihre weitere berufliche Laufbahn“sollte in der abschließe­nden Grußformel nicht vorkommen. Es impliziert, der oder die Angestellt­e benötige vor allem Glück, um seine/ihre Karriere voranzutre­iben.

Hat man das Gefühl, dass das Arbeitszeu­gnis zum eigenen Nachteil verfasst wurde, rät Axmann zu einem klärenden Gespräch. „Ist der Arbeitgebe­r nicht bereit, Formulieru­ngen zu ändern, bitten Sie um ein quantitati­ves Arbeitszeu­gnis.“Dieses bestätigt lediglich die Art und Dauer der Tätigkeit. Das Gesetz verpflicht­et den Arbeitgebe­r dazu, eine solche Bestätigun­g auszustell­en – das „qualitativ­e“, ausformuli­erte Arbeitszeu­gnis beruht hingegen auf Freiwillig­keit.

Axmann zur Frage, wie wichtig überhaupt Arbeitszeu­gnisse für die Bewerbung sind: „Sie verlieren an Relevanz.“Nachteilig könne es aber niemals sein, sie mit einer Bewerbung mitzuschic­ken.

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