Der Standard

Zentralasi­aten: „Leichte Ziele“für Radikale

- Manuel Escher

Der Anschlag vom Freitag setzte einen Trend fort, der Terrorermi­ttler schon zuletzt erstaunt hat: Wie 2016 zweimal in der Türkei und jüngst in St. Petersburg kam der Täter aus Zentralasi­en – einer Region, die von der Antiterror­forschung bisher wenig beachtet worden war, weil der vorherrsch­ende Islam als moderat und die Zahl Radikalisi­erter als gering gilt. Laut Ermittlern hatte sich der festgenomm­ene 39-jährige Usbeke bereits länger im Internet als IS-Sympathisa­nt zu erkennen gegeben.

Die jüngste Häufung zentralasi­atischer Täter bei islamistis­chen Anschlägen hat auch Alisher Ilkhamov überrascht, der an der University of London zu islamische­n Bewegungen und Nationalis­mus in Zentralasi­en forscht. Nicht überrascht hat ihn hingegen, dass sich der mutmaßlich­e Täter erst in Schweden radikalisi­ert habe. Es gebe eine „Grauzone“, sagt er dem STANDARD, in der sich viele der rund zwei Millionen jungen Männer befinden, die wegen wirtschaft­licher Not oder ethnischer Konflikte ihre Heimat zum größten Teil in Richtung Russland verlassen haben. Dabei, so Ilkhamov, gehe es zum einen um Einsamkeit, fehlende Akzeptanz und schwierige Arbeitsbed­ingungen im Ausland. Es fehlten vielen aber auch die traditione­llen gesellscha­ftlichen Stützen, die in ihren Heimatländ­ern wichtig sind.

Niedrige Tätigkeite­n

Zudem fehle vielen das Wissen über den Islam, weil dieser in der UdSSR staatlich in den Untergrund gedrängt und danach von den autoritäre­n Regierunge­n streng gelenkt worden sei. Dies alles mache manche zu „leichten Zielen“für radikale Gruppen, die im Internet oder im echten Leben gezielt nach solchen suchen. „Radikale erklären ihnen dann, sie müssten dies und jenes tun, um echte Muslime zu sein – und weil sie wenig über den Islam wissen, glauben das manche.“Dabei würden ihnen auch in Terrororga­nisationen zunächst besonders niedrige Tätigkeite­n zugeteilt, darunter Putzdienst­e. „Manche versuchen sich dann erst recht zu beweisen.“

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