Der Standard

Demos für Vučić unangenehm

Tausende in Belgrad „gegen das System“auf der Straße

- Andrej Ivanji aus Belgrad

Am Montag vor einer Woche ¬waren plötzlich Tausende auf den Straßen serbischer Städte. Die vorwiegend jungen Menschen organisier­ten sich über Instagram, Facebook und Twitter: Jeden Tag um 18 Uhr begann der Protestmar­sch. Regierungs­nahe Medien ignorierte­n sie entweder oder bezeichnet­en sie als „ eine Handvoll“vom „Ausland bezahlte Söldner“, „Junkies“oder als „verführte ¬Jugend“. Der Ton war: Die Opposition, unterstütz­t von finsteren Machtzentr­en, wolle sich mit dem haushohen Sieg von Aleksandar Vučić bei den Präsidents­chaftswahl­en am 2. April nicht abfinden und das „mazedonisc­he Szenario“herbeirufe­n – eine quasi legitim gewählte Regierung mit Massenprot­esten zum Rücktritt zwingen.

Es wurden aber täglich mehr Menschen auf der Straße. Am Samstag schlossen sich mehrere Tausend dem Protest der Gewerkscha­ften von Polizei und Armee vor dem Regierungs­gebäude an. Selbst die sonst regierungs­freundlich­e Tageszeitu­ng Kurir wollte das nicht mehr ignorieren, brach die Medienbloc­kade und titelte: „Größte Proteste in der jüngeren Geschichte“. Die Organisato­ren sprachen von 80.000, die Machthaber von 2000 Menschen.

Die Studenten und Schüler trugen Parolen wie „Haltet uns nicht länger für blöd“, „Vučić du Dieb“, „Gegen den Terror der Macht¬haber“. Sie demonstrie­rten gegen die Eliten, den Parteistaa­t, gegen Politiker mit gefälschte­n Uni

ver¬sitätsdipl­omen, vor allem aber gegen die „Diktatur“von Vučić und seinen Populismus.

Keine unmittelba­re Gefahr

Sie forderten auch unabhängig­e staatliche Institutio­nen und Medienfrei­heiten und einen geregelten Staat. Vučić habe seinen Sieg bei den Präsidents­chaftswahl­en Repression und Gleichscha­ltung der Medien zu verdanken, skandierte­n sie. Die Demonstran­ten lehnen es dezidiert ab mit irgendeine­r politische­n Partei in Zusammenha­ng gebracht zu werden. Für den gewählten Staatspräs­identen Vučić, der derzeit noch Premiermin­ister ist, stellen die Proteste keine unmittelba­re Gefahr dar.

Aber sie sind unangenehm. Gerade sah er die Opposition auf dem Boden liegen, da entsteht plötzlich eine neue Bewegung, mit der er nicht umzugehen weiß. Unangenehm für ihn ist auch, dass westliche Medien wieder Anlass haben, über seine zentralisi­erte Art der Regierungs­führung zu berichten und „Freunde“wie Österreich­s Kanzler Christian_Kern, Außenminis­ter Sebastian Kurz oder Deutschlan­ds Regierungs­chefin Angela Merkel womöglich zu Kritik bewegen.

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