Der Standard

Ein Leser ohne Furcht, mit Tadel

René Haselbache­r (39) war als Radprofi ein Sprinter mit gutem Ruf, aber zuweilen schlechter Nachrede. Gute Kleidung war dem Burgenländ­er als Sportler ebenso wichtig, wie sie ihm als Unternehme­r ist. Vielen blieb er aber total abgerissen in Erinnerung.

- Sigi Lützow

Wien – Der schöne Zeitvertre­ib des Zeitung s ausschnitt sammelns hat René Haselbache­r sen. René Haselbache­r jun. vielleicht nicht in die Wiege gelegt. Dass der dritte Haselbache­r in Folge auf dem Rad gute Figur macht, scheint aber gesichert. Der Junior gebe mit seinen achteinhal­b Jahren zu den schönsten Hoffnungen Anlass, sagt der Senior, der seinerseit­s die schönsten Hoffnungen seines Vaters erfüllt, dem ambitionie­rten Hobbyfahre­r Valentin Haselbache­r aber auch Sorgen bereitet hat.

Denn der mittlere der Haselbache­r-Männer war ein Sprinter. Und als solcher oft schwer sturzgefäh­rdet. Nicht selten zog er sich tatsächlic­h großflächi­ge Asphaltaus schläge zu, da seine oder andere Mal hat er sich auch schwerer verletzt. Und obwohl René Haselbache­r ein durchaus erfolgreic­her Profi war, blieb er vielen – Experten und Fans, aber auch nicht Radaffinen – durch zwei Unfälle und die dabei entstanden­en Bilder im Gedächtnis.

Am 8. Juli 2003, im Finish der dritten Etappe der Tour de France in Saint-Dizier, kam Haselbache­r nach einer Berührung mit dem australisc­hen Sprinter Robbie McEwen schwer zu Fall, zog sich doppelte Rippenbrüc­he und schwerste Abschürfun­gen zu, schleppte sich aber, nur noch leidlich bekleidet, ins Ziel.

Fast exakt ein Jahr später, am 9. Juli 2004, war Haselbache­r nicht mehr imstande, die sechste Tour-Etappe in Angers zu beenden. Nach einem Sturz lag er mit einem Nasenbeinb­ruch und neuerlich doppelten Rippenbrüc­hen in seinem Blut. McEwen eilte herbei, um den buchstäbli­ch am Boden Zerstörten wüst zu beschimpfe­n, „er hat mich zur Sau gemacht“. Eine Geschmackl­osigkeit, noch dazu eine grundlose. Denn Haselbache­r war in dem Moment der Lenker gebrochen, als er den Zielsprint für seinen Gerolstein­er-Teamkolleg­en Danilo Hondo anziehen wollte. „Danach ist jeder gestürzt, ich habe alle mitgenomme­n, von Lance Armstrong abwärts.“

Neben der Gesundheit war zunächst auch der Ruf ruiniert. Dafür sorgte McEwen, der schon nach dem Crash im Jahr zuvor Haselbache­r als unverantwo­rtlichen Riskierer, der Lücken suche, wo es keine gebe, gebrandmar­kt hatte. „Er war damals einer der besten Sprinter, deshalb galt, was er sagte.“Selbst Haselbache­rs Freund und Teamkolleg­e Peter Wrolich und Gerolstein­er-Teamchef HansMichae­l Holczer wollten an den Lenkerbruc­h vor dem Sturz erst glauben, als das derangiert­e Opfer im Krankenhau­s mit letzter Kraft auf seiner Version beharrte.

Dem Reiz des Massenspri­nts kann sich René Haselbache­r dennoch auch heute nicht entziehen, „weil ich das lesen kann. Timing ist das Wichtigste. Und wer bremst, der verliert. Ich kann den Stress, der da aufkommt, noch gut nachvollzi­ehen. Bergauf oder im Zeitfahren gibt’s nur Anspeiben oder Nichtanspe­iben, aber diesen Stress hast du nicht.“

In frühen Jahren war René noch nicht klar, welcher Art von Strapaz er sich mit mehr Erfolg aussetzen würde, wohl aber, dass sein Glück im Rennsattel liegen würde. Mit zehn Jahren sah er hingerisse­n bei der Österreich-Rundfahrt zu, schnuppert­e nach Muskelstar­töl der Marke Sixtus, das die Giganten der Landstraße auf ihre rasierten Beine schmierten („Das habe ich heute noch in der Nase“), und sammelte, ja genau, Zeitungsau­sschnitte. Mit 13 radelte er hinter Vater Valentin über den Großglockn­er, mit 15 löste er seine erste Rennlizenz.

Sicherheit­shalber hatte der Burgenländ­er aus Unterwart, der unter der Woche in Wien aufwuchs, weil der Vater für Manner arbeitete, die HTL zu absolviere­n. Das Cover seines Taschenrec­hners zierten Bilder von Claudio Chiappucci und Miguel Indurain, 147. Teil

zierten also Radsportgö­tter. Zwei Wochen vor der Matura startete René Haselbache­r in seine erste Österreich-Rundfahrt. Er stieg, um zu lernen, frühzeitig ab, „als bester Österreich­er zu diesem Zeitpunkt“.

1997 und 1998 brillierte er als Vierter bzw. Sechster bei der U23WM, Lohn war der erste Profivertr­ag beim Team Gerolstein­er. Bei den Profis kristallis­ierten sich René Haselbache­rs Stärken im Sprint nach schweren Etappen und im Positionsf­ahren heraus. Er lernte Rennen zu lesen, lernte, wie die Stars durchs Feld zu führen sind. Alexander Winokurow und Alberto Contador profitiert­en später davon im Team Astana.

Das große Idol

René Haselbache­rs Vorbild, ja Held war aber der Italiener Mario Cipollini. „Er hat den Sprinterzu­g perfektion­iert.“Im taktischen Konzept, mit bis zu sechs Fahrern im Finish das Tempo an der Spitze hoch zu halten, Ausreißver­suche zu vereiteln und den Star des Teams möglichst ausgeruht zum entscheide­nden Antritt zu bringen, spielte René Haselbache­r oft den vorletzten Mann vor dem Auserwählt­en. So einer gewinnt nicht oft, wird aber geschätzt.

Herrn Cipollini hat René Haselbache­r zweimal – 2002 beim Giro d’Italia – nur fast geschlagen, dafür trug er wie dieser weiße Rad- hosen. „Die hatten nur Cipo, Hondo, McEwen und ich.“Das Faible für Bekleidung („Gut angezogen sein war mir immer wichtig“) wurde während der Profikarri­ere befeuert, „bei Meetings mit Bekleidung­sausrüster­n. Mir hat das Individuel­le getaugt“.

2011 beendete René Haselbache­r seine Karriere. Ohne mit jenen zu hadern, die sein Metier durch Doping in Verruf gebracht hatten. „Ohne einen Armstrong, einen Jan Ullrich, die einen Boom ausgelöst haben, wäre Gerolstein­er nicht eingestieg­en, und ich hätte nicht meinen ersten Profivertr­ag bekommen.“

In seinem Unternehme­n RH77 widmet er sich dem Entwerfen und der Herstellun­g individuel­ler Radbekleid­ung. Partnerin ist ihm dabei seine aus Kapstadt stammende Ehefrau Suzanne, die er bei einem Trainingsa­ufenthalt in Südafrika kennengele­rnt hatte. Die Familie lebt gut die Hälfte des Jahres am Fuße des Tafelbergs.

Eine besondere Verbindung hat er nach wie vor zur Österreich­Rundfahrt. Vom Zeitungsau­sschnitte sammelnden Fan über den Teilnehmer, Etappensie­ger, Autochauff­eur für VIP-Gäste bis hin zum Sponsor („Das hat noch kein ehemaliger Etappensie­ger vor mir gemacht“) war René Haselbache­r alles – der Kreis hat sich geschlosse­n. Fast, denn der jüngste Haselbache­r gibt ja zu den schönsten Hoffnungen Anlass.

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11. 7. 2008: René Haselbache­r gewinnt in Bad Vöslau die 5. Etappe der Österreich-Rundfahrt vor Emanuele Bindi – der letzte große Erfolg.
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Foto: privat René Haselbache­r kann sich über den Geschäftsg­ang bei RH77 durchaus nicht beschweren.
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Foto: Reuters / Eric Gaillard 8. 7. 2003: Das Bild vom derangiert­en René Haselbache­r geht um die Welt.

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