Der Standard

LESERSTIMM­E

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Am Anfang noch gefreut

Betrifft: „Was eine echte Trendwende brächte“von Andreas Schnauder

der Standard, 4. 4. 2017 Ich stimme Ihnen zu: Soll die Arbeitslos­igkeit in Österreich in den nächsten Jahren wieder auf das Niveau von vor der Finanzund Wirtschaft­skrise sinken, braucht es vor allem eines: wieder mehr Nachfrage nach Arbeitskrä­ften, also eine gute und stabile Wirtschaft­sentwicklu­ng und mehr Investitio­nen.

Infrastruk­turaus- und Wohnungsba­u, Bildung, soziale Dienstleis­tungen insbesonde­re in der Kinderbetr­euung und der Betreuung und Pflege älterer Menschen in unserem Land – in diesen Bereichen könnten zahlreiche und nachhaltig bestehende Arbeitsplä­tze entstehen.

Nur, was verhindert diese Investitio­nen? Mit Sicherheit nicht die sogenannte­n Lohnnebenk­osten in unserem Land oder der auch von Ihnen bemühte Mythos von den „zu teuren Alten“auf dem Arbeitsmar­kt. Es ist einfach die Austerität­spolitik auf EU-Ebene und ihre Umsetzung in Österreich, die zu diesem beklagensw­erten Investitio­nsstau und einer zu geringen Nachfrage der Unternehme­n nach Arbeitskrä­ften führen.

Diese Tatsache kann nicht damit bekämpft werden, Arbeit für die Unternehme­n billiger zu machen – nichts anderes ist die vielfach verlangte Lohnnebenk­ostenSenku­ng. Denn die angeblich zu hohen Löhne und Gehälter sind nach Studien des IHS nicht die Ursache für die Altersarbe­itslosigke­it in Österreich. Zum einen wären die Arbeitsver­hältnisse älterer Menschen nicht überdurchs­chnittlich stabil, wären den Unternehme­n die Lohnkosten Älterer im Vergleich zur ihrer Produktivi­tät generell zu hoch. Zum anderen sind in den allermeist­en Kollektivv­erträgen die Gehaltskur­ven bereits abgeflacht, die Einstiegsg­ehälter höher, die Seniorität bei der Gehaltsent­wicklung längst entschärft.

In einer Nachfragek­rise auf dem Arbeitsmar­kt muss ein Arbeitsmin­ister wohl neue Wege gehen, um die Nachfrage nach älteren Arbeitnehm­erInnen zu erhöhen – und nichts anderes steckt ja hinter der Beschäftig­ungsaktion +20.000 für ältere Langzeitar­beitslose. Im Finanzmini­ster findet der Arbeitsmin­ister leider keinen Mitstreite­r im Bemühen um eine offensiver­e, beschäftig­ungsschaff­ende Wirtschaft­s- und Budgetpoli­tik im Binnenmark­t und in Österreich.

Schade, am Beginn Ihres Kommentars habe ich mich noch gefreut – endlich wird auf die Nachfrages­eite auf dem Arbeitsmar­kt geblickt, endlich werden nicht die Betroffene­n und ihre Ansprüche auf gute Arbeit und gute Entlohnung für die hohe Arbeitslos­igkeit verantwort­lich gemacht. Umso enttäuscht­er war ich dann am Ende – auch Ihnen scheint es doch wieder nur darum zu gehen, Arbeit billiger zu machen.

Gernot Mitter Abteilung Arbeitsmar­kt und Integratio­n, AK Wien

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