Kühler Empfang für Tillerson in Moskau
US-Außenminister Rex Tillerson ist in Moskau gelandet – doch ob er im Kreml empfangen wird, ist unklar. Washington und Moskau sind im Syrien-Konflikt nunmehr auf direktem Konfrontationskurs.
Kommissar Rex, die alte Polizeiserie aus Wien, hat in Moskau immer noch erstaunlich viele Freunde. Für Rex Tillerson, den Russlands Präsident Wladimir Putin noch 2012 als Exxon-Mobil-Chef mit dem Freundschaftsorden ehrte, gilt das nicht mehr. Sein zweitägiger Moskau-Besuch wird nach dem jüngsten Zerwürfnis in der Syrien-Frage zum diplomatischen Kräftemessen. Der Kreml stellt seinen Frust offen zur Schau: „Im Zeitplan Putins sind derzeit keine Treffen mit Tillerson während dessen Visite in Moskau vorgesehen“, erklärte Putins Sprecher Dmitri Peskow kühl kurz vor Eintreffen des US-Außenministers.
Das wäre noch kein diplomatischer Eklat, schließlich ist Tillerson offiziell auf Einladung seines Kollegen Sergej Lawrow in Moskau. Eine klare Ansage aus Moskau an Washington ist es allemal; schließlich fand der Kremlchef zuletzt Zeit für deutlich weniger prominente Politiker. Steht Sigmar Gabriel als deutscher Außenminister auf der Protokollebene mit Tillerson immerhin noch auf einer Stufe, so sind Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer oder die Präsidentschaftskandidatin des französischen Front National Marine Le Pen, denen Putin im März Audienz gewährte, deutlich darunter anzusiedeln. Le Pen und – mit Abstrichen – Seehofer sind in Putins Augen Verbündete; Tillerson hingegen ein Verräter.
Trumps Wankelmütigkeit
Denn von den „guten Vorsätzen“, die der Kreml bei Donald Trump und seinem Regierungsteam zu erkennen glaubte, ist nach einigen Monaten im Amt nichts mehr übrig geblieben. Führende Vertreter einer Annäherungspolitik an Russland wurden nach politischem Druck aus der Administration entfernt, andere haben sich von ihren Standpunkten im Wahlkampf entfernt. Die Verärgerung im Kreml wuchs zusehends, nun droht der Frust überhandzunehmen.
Auslöser der neuesten russischamerikanischen Beziehungskrise ist der Chemiewaffeneinsatz in Idlib und der anschließende USLuftschlag gegen Truppen von Staatschef Bashar al-Assad. Die Tomahawks gegen den Luftwaffenstützpunkt Shairat wertet Moskau als ausgegrabenes Kriegsbeil auch gegen sich selbst. Die Giftgasvorwürfe gegen seinen Verbündeten Assad weist Russland als unlogisch zurück, dieser habe in seiner Lage überhaupt kein Interesse daran, mit Giftgas zu provozieren, schließlich entwickle sich der Krieg zu seinen Gunsten.
Böser als die Verdächtigungen stößt Moskau die eigene Bloßstellung auf: Die Tomahawks haben bei ihrem unbehelligten Flug nämlich auch die Illusion eines mächtigen russischen Luftabwehrschutzschildes für Assad zerstört. Die kraftmeiernde Stationierung der russischen S400-Raketen in Syrien wurde durch Trumps ebenso kraftprotzende Militäraktion als leere Drohkulisse desavouiert.
Zu allem Überfluss kommt Tillerson mit einem Ultimatum nach Moskau. „Wir wollen die Leiden des syrischen Volks lindern. Russland kann Teil der Zukunft sein und eine wichtige Rolle dabei spielen. Oder Russland kann weiter diese Gruppe unterstützen, die, wie wir meinen, ihren langfristigen Interessen nicht entspricht“, sagte der US-Außenminister. Sollte Russland seine Unterstützung für Assad nicht einstellen, drohen sogar neue Sanktionen, heißt es. Das will sich der Kreml nicht gefallen lassen. Die bilateralen Beziehungen seien in der schwersten Krise seit dem Kalten Krieg, konstatierte das russische Außenamt. Man hoffe auf „produktive Gespräche“, die könnten aber nur „auf gleichberechtigter Basis“stattfinden, warnte die Behörde.
Hinter den Kulissen laufen Verhandlungen über die diplomatischen Formulierungen. Gelingt es Moskau, sie aufzuweichen, könnte es doch noch zum ursprünglich heute, Mittwoch, geplanten Gespräch zwischen Putin und Tillerson kommen. Kreml-Insider meinen, am Mittwochnachmittag werde noch ein Zeitfenster für ein kurzes Tête-à-Tête offen gehalten. Gibt es keinen Kompromiss, werden sich Russlands Staatsmedien auf Putins Treffen mit Italiens Präsident Sergio Mattarella beschränken, in dem Putin „neue Provokationen“mit Chemiewaffen in Syrien voraussagte. Bleibt der russisch-amerikanische Gegensatz aber, steigt die Eskalationsgefahr dort nur; bis hin zu einer direkten Auseinandersetzung der beiden Supermächte.