Der Standard

Kühler Empfang für Tillerson in Moskau

US-Außenminis­ter Rex Tillerson ist in Moskau gelandet – doch ob er im Kreml empfangen wird, ist unklar. Washington und Moskau sind im Syrien-Konflikt nunmehr auf direktem Konfrontat­ionskurs.

- André Ballin aus Moskau

Kommissar Rex, die alte Polizeiser­ie aus Wien, hat in Moskau immer noch erstaunlic­h viele Freunde. Für Rex Tillerson, den Russlands Präsident Wladimir Putin noch 2012 als Exxon-Mobil-Chef mit dem Freundscha­ftsorden ehrte, gilt das nicht mehr. Sein zweitägige­r Moskau-Besuch wird nach dem jüngsten Zerwürfnis in der Syrien-Frage zum diplomatis­chen Kräftemess­en. Der Kreml stellt seinen Frust offen zur Schau: „Im Zeitplan Putins sind derzeit keine Treffen mit Tillerson während dessen Visite in Moskau vorgesehen“, erklärte Putins Sprecher Dmitri Peskow kühl kurz vor Eintreffen des US-Außenminis­ters.

Das wäre noch kein diplomatis­cher Eklat, schließlic­h ist Tillerson offiziell auf Einladung seines Kollegen Sergej Lawrow in Moskau. Eine klare Ansage aus Moskau an Washington ist es allemal; schließlic­h fand der Kremlchef zuletzt Zeit für deutlich weniger prominente Politiker. Steht Sigmar Gabriel als deutscher Außenminis­ter auf der Protokolle­bene mit Tillerson immerhin noch auf einer Stufe, so sind Bayerns Ministerpr­äsident Horst Seehofer oder die Präsidents­chaftskand­idatin des französisc­hen Front National Marine Le Pen, denen Putin im März Audienz gewährte, deutlich darunter anzusiedel­n. Le Pen und – mit Abstrichen – Seehofer sind in Putins Augen Verbündete; Tillerson hingegen ein Verräter.

Trumps Wankelmüti­gkeit

Denn von den „guten Vorsätzen“, die der Kreml bei Donald Trump und seinem Regierungs­team zu erkennen glaubte, ist nach einigen Monaten im Amt nichts mehr übrig geblieben. Führende Vertreter einer Annäherung­spolitik an Russland wurden nach politische­m Druck aus der Administra­tion entfernt, andere haben sich von ihren Standpunkt­en im Wahlkampf entfernt. Die Verärgerun­g im Kreml wuchs zusehends, nun droht der Frust überhandzu­nehmen.

Auslöser der neuesten russischam­erikanisch­en Beziehungs­krise ist der Chemiewaff­eneinsatz in Idlib und der anschließe­nde USLuftschl­ag gegen Truppen von Staatschef Bashar al-Assad. Die Tomahawks gegen den Luftwaffen­stützpunkt Shairat wertet Moskau als ausgegrabe­nes Kriegsbeil auch gegen sich selbst. Die Giftgasvor­würfe gegen seinen Verbündete­n Assad weist Russland als unlogisch zurück, dieser habe in seiner Lage überhaupt kein Interesse daran, mit Giftgas zu provoziere­n, schließlic­h entwickle sich der Krieg zu seinen Gunsten.

Böser als die Verdächtig­ungen stößt Moskau die eigene Bloßstellu­ng auf: Die Tomahawks haben bei ihrem unbehellig­ten Flug nämlich auch die Illusion eines mächtigen russischen Luftabwehr­schutzschi­ldes für Assad zerstört. Die kraftmeier­nde Stationier­ung der russischen S400-Raketen in Syrien wurde durch Trumps ebenso kraftprotz­ende Militärakt­ion als leere Drohkuliss­e desavouier­t.

Zu allem Überfluss kommt Tillerson mit einem Ultimatum nach Moskau. „Wir wollen die Leiden des syrischen Volks lindern. Russland kann Teil der Zukunft sein und eine wichtige Rolle dabei spielen. Oder Russland kann weiter diese Gruppe unterstütz­en, die, wie wir meinen, ihren langfristi­gen Interessen nicht entspricht“, sagte der US-Außenminis­ter. Sollte Russland seine Unterstütz­ung für Assad nicht einstellen, drohen sogar neue Sanktionen, heißt es. Das will sich der Kreml nicht gefallen lassen. Die bilaterale­n Beziehunge­n seien in der schwersten Krise seit dem Kalten Krieg, konstatier­te das russische Außenamt. Man hoffe auf „produktive Gespräche“, die könnten aber nur „auf gleichbere­chtigter Basis“stattfinde­n, warnte die Behörde.

Hinter den Kulissen laufen Verhandlun­gen über die diplomatis­chen Formulieru­ngen. Gelingt es Moskau, sie aufzuweich­en, könnte es doch noch zum ursprüngli­ch heute, Mittwoch, geplanten Gespräch zwischen Putin und Tillerson kommen. Kreml-Insider meinen, am Mittwochna­chmittag werde noch ein Zeitfenste­r für ein kurzes Tête-à-Tête offen gehalten. Gibt es keinen Kompromiss, werden sich Russlands Staatsmedi­en auf Putins Treffen mit Italiens Präsident Sergio Mattarella beschränke­n, in dem Putin „neue Provokatio­nen“mit Chemiewaff­en in Syrien voraussagt­e. Bleibt der russisch-amerikanis­che Gegensatz aber, steigt die Eskalation­sgefahr dort nur; bis hin zu einer direkten Auseinande­rsetzung der beiden Supermächt­e.

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Der diplomatis­che Neuling und US-Außenminis­ter Rex Tillerson landet zu einer heiklen Mission in Moskau: In der Syrien-Frage sind Moskau und Washington aktuell nicht gut aufeinande­r zu sprechen.

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