Ein Passagier zu viel, ein Skandal mehr
Der brutale Rausschmiss eines Passagiers aus einem überbuchten Flug hat für scharfe Kritik an United Airlines gesorgt. Der Chef der Fluglinie hat sich nun entschuldigt, ein Polizist wurde beurlaubt und eine Überprüfung angekündigt.
New York / Wien – Zahlreiche Versionen kursieren mittlerweile im Netz, bei einer davon wird zu Beginn des Videos gewarnt: „Vorsicht, das folgende Filmmaterial könnte Sie verstören.“In sozialen Netzwerken kommt man seit Montag kaum daran vorbei, an den Schreien des Passagiers, den Klagen der mitfilmenden anderen Passagiere und vor allem dem Bild, wie da jemand über den Boden geschleift wird, sodass sein Oberteil hinaufrutscht und sein Bauch sichtbar wird. Schließlich strahlten es auch US-Fernsehsender in den Hauptabendnachrichten aus.
All die Videos zeigen, wie drei Polizisten vor dem Abflug aus Chicago nach Louisville einen Mann auffordern, seinen Platz in einem Flugzeug von United Airlines zu räumen. Als er sich weigert, wirft ihn einer der Beamten zu Boden und schleift ihn über den Gang zum Ausstieg. Der Passagier schreit, die anderen zeigen sich geschockt. „Oh, mein Gott, schauen Sie, was Sie mit ihm gemacht haben“, sagt eine Frau.
Der Flieger, wie so viele in den USA überbucht, sollte zusätzlich vier Crewmitglieder der Airline möglichst rasch nach Louisville bringen. Vier Fluggäste sollten dazu ihren Platz räumen. Deshalb bot United Airlines Entschädigungen in Höhe von zunächst 400 und schließlich 800 Dollar sowie eine kostenlose Hotelübernachtung an, doch niemand meldete sich. Daraufhin sollte per Los entschieden werden. Drei Passagiere ver- ließen freiwillig den Flieger. Der vierte, ein 69-jähriger Mann, weigerte sich aber. „Ich bin Arzt, auf mich warten morgen Patienten. Ich muss zurück nach Louisville und bleibe im Flugzeug“, soll er laut Augenzeugen gesagt haben. Schließlich wurde die Flughafenpolizei gerufen, deren rabiates Vorgehen später im Internet millionenfach angeklickt wurde.
„Bringt mich doch um“
Dass der Arzt später wieder an Bord gelassen wurde – mit blutverschmiertem Gesicht und „Bringt mich doch um“sowie „Ich muss nach Hause“sagend –, änderte nichts an der massiven Kritik, die sich die Airline anhören musste, ebenso wenig die später folgende Entschuldigung von Oscar Munoz, Vorstandsvorsitzen- der von United Airlines, der den Vorfall untersuchen lassen und den Passagier kontaktieren will.
US-Fluggesellschaften dürfen bei Flugüberbuchung Passagiere auch gegen ihren Willen abweisen, wenn keine Freiwilligen gefunden werden. Diese Regelung gilt auch in der Europäischen Union. Die Luftfahrtbehörde in Chicago erklärte allerdings, dass das Vorgehen der Flughafenpolizei „nicht in Übereinstimmung mit unseren Standards für die Einsatzprozeduren stand“.
Der Beamte, der den Passagier mit sich geschleift habe, sei mit sofortiger Wirkung beurlaubt worden. Es werde eine „sorgfältige Überprüfung“des Vorfalls geben. Auch das US-Verkehrsministerium wird sich des Vorfalls annehmen.
Bereits Ende März hatte United Airlines für Negativschlagzeilen gesorgt, weil die Fluglinie zwei mit Leggings bekleideten Mädchen den Einstieg in eine Maschine verweigert hatte. Die Airline erklärte später, es handelte es sich um Angehörige von Mitarbeitern, die kostenlos oder zu stark reduzierten Preisen fliegen können. Von diesen werde erwartet, dass sie sich an eine bestimmte Kleiderordnung hielten. Normalpreis zahlende Passagiere seien auch in Leggings willkommen, so die Fluglinie.
Die könnte in China in Zukunft einen schweren Stand haben. Im dortigen Online-Netzwerk Weibo warfen User der Fluglinie vor, den Arzt ausgewählt zu haben, weil er chinesisch aussah. Es wurde zum Boykott aufgerufen. (ksh, AFP)