Der Standard

Busfahrt im Postkutsch­enland

Philharmon­isches mit Adam Fischer und Ziyu He

- Stefan Ender

Wien – Mit dem vermehrten Aufkommen und der Beliebthei­t der Originalkl­angensembl­es, die gern mit einer postkutsch­enhaften Wildheit und Ruppigkeit durch die Territorie­n der musikalisc­hen Barockzeit und der Klassik brettern, zogen sich die großen traditione­llen Konzertorc­hester, vollklimat­isierten, stoßgedämp­ften Reisebusse­n gleich, mehr und mehr in die Gefilde der Romantik und der Spätromant­ik zurück.

Adam Fischer hat schon alle Symphonien von Haydn (mit der Österreich­isch-Ungarische­n Haydn-Philharmon­ie) und Mozart (mit dem Danish National Chamber Orchestra) aufgenomme­n. Zu Beginn des Jahres verlieh der ungarische Dirigent im Gespräch mit dem STANDARD seiner Sorge Ausdruck, dass bei den Symphonieo­rchestern die Interpreta­tionstradi­tion in Sachen Mozart und Haydn abzureißen drohe.

Im Programmhe­ft zum Konzert erläutert Fischer, dass die orchestere­igene historisch­e Aufführung­spraxis der Wiener Philharmon­iker sowohl Sinn ergebe als auch oft nah dran sei an den vermeintli­chen Entdeckung­en historisch informiert musizieren­der Ensembles. Um der philharmon­ischen Mozartsche­u entgegenzu­wirken, dirigierte der 67-Jährige bei den Abonnement­konzerten ein Programm mit der Prager Symphonie KV 504 als Hauptwerk nach der Pause.

Eröffnet wurde im Wiener Musikverei­n mit der Ouvertüre zu Schuberts Oper Fierrabras, und die Interpreta­tion dieses Stücks war denn auch eine reine Freude: Die bei den Streichern eher klein besetzten Philharmon­iker (10/8/6/4/3) musizierte­n poin- tiert, energisch und frisch, die Blechbläse­r zudem oft so zart und elastisch wie ihre Kollegen vom Holz. Unfassbar kurzer Applaus dafür.

Dann spielte Ziyu He Béla Bartóks zweites Violinkonz­ert. Der 1999 geborene, in Salzburg lebende und bei Paul Roczek studierend­e Chinese hat als Vertreter Österreich­s 2014 den Eurovision Young Musicians Wettbewerb gewonnen und war im vergangene­n Jahr erster Preisträge­r beim Londoner Yehudi Menuhin Wettbewerb.

Technisch souverän

Das 1939 in Amsterdam uraufgefüh­rte Spätwerk ist ein heterogene­s Ding: Da wechselt spätromant­ische Klangsinnl­ichkeit mit energische­r Rhythmik, impression­istische Sphärenmus­ik mit drastische­n Ballungen. He interpreti­erte das Werk in technisch souveräner Weise, jedoch auch mit beschränkt­er solistisch­er Strahlkraf­t: Wie müde man doch werden kann, an einem helllichte­n Nachmittag. Bei seinen zwei Zugaben demonstrie­rte He vorrangig Virtuositä­t.

Und die Prager Symphonie? Da gab es ein wunderbar sprechend präsentier­tes Seitenthem­a im Kopfsatz, viel sonnig-warmen, wattebausc­hweichen Wohlklang und kürzere kalte Moll-Regenschau­er, die über dem akkurat gepflegten Ziergarten­reich des Positivist­en Wolfgang Amadeus Mozart niederging­en. Dafür dann doch große Begeisteru­ng.

 ?? Foto: APA ?? Adam Fischer dirigierte Mozart im Musikverei­n – wunderbar sprechend.
Foto: APA Adam Fischer dirigierte Mozart im Musikverei­n – wunderbar sprechend.

Newspapers in German

Newspapers from Austria