Der Standard

Rätselhaft­es Bekennersc­hreiben

Nach dem Anschlag auf den Teambus des Fußballklu­bs Borussia Dortmund schließen die Ermittler einen islamistis­chen Hintergrun­d nicht aus. Ein Verdächtig­er wurde festgenomm­en. Experten bezweifeln aber das „verwunderl­iche“Bekennersc­hreiben.

- Christoph Reichmuth aus Berlin

Laut Generalbun­desanwalts­chaft ist die Fußballman­nschaft von Borussia Dortmund (BVB) beim Sprengstof­fanschlag am Dienstag noch glimpflich davongekom­men: Drei hinter einer Hecke abgelegte Sprengsätz­e verfügten über eine erhebliche Sprengwirk­ung von mehr als 100 Metern. Die Sprengsätz­e waren mit Metallstif­ten bestückt, einer bohrte sich in die Kopfstütze eines Bussitzes. Die Art des Zündmechan­ismus und des verwendete­n Sprengstof­fes sind noch Gegenstand kriminalte­chnischer Untersuchu­ngen.

Nach dem Anschlag hat die Polizei am Mittwoch zwei Verdächtig­e aus der Islamisten­szene identifizi­ert, ihre Wohnungen wurden durchsucht, eine Person vorübergeh­end festgenomm­en. Die Generalbun­desanwalts­chaft (GBA) geht von einem terroristi­schen Hintergrun­d der Tat aus. „Ein islamistis­cher Hintergrun­d der Tat ist möglich“, sagte eine Sprecherin der GBA. Beim An- schlagsort wurden drei textgleich­e Bekennersc­hreiben mit Hinweisen auf eine islamistis­ch motivierte Tat gefunden.

Das Schreiben beginnt mit der Einleitung „Im Namen Allahs, des Gnädigen, des Barmherzig­en“, wie die Süddeutsch­e Zeitung berichtet. Weiter geht das Schreiben auf den Terroransc­hlag auf den Berliner Weihnachts­markt vom 19. Dezember ein, in einem späteren Abschnitt wird Kanzlerin Angela Merkel direkt angesproch­en. Sie wird für den Tod hunderter Muslime in Syrien mitverantw­ortlich gemacht, da sich die Bundeswehr am Lufteinsat­z gegen die Terrormili­z IS beteiligt. Die Verfasser – oder der Autor – fordern ein Ende der Aufklärung­sflüge und die Schließung der US-Luftwaffen­basis in Ramstein. Der 91 Worte umfassende Brief beinhaltet auch eine Drohung: „Ab sofort“stünden „alle ungläubige­n Schauspiel­er, Sänger, Sportler und sämtliche prominente (sic) in Deutschlan­d und anderen Kreuzfahre­r-Nationen auf Todesliste­n des Islamische­n Staates“.

Zweifel an Urhebersch­aft

Der Text wird nun von Islamwisse­nschaftern geprüft. Der Terrorismu­sexperte Georg Heil äußert indes Zweifel, ob tatsächlic­h Anhänger des IS hinter dem Anschlag stehen. Das Schreiben strotzt an einigen Stellen vor gravierend­en orthografi­schen Fehlern, an anderen Stellen sind vergleichs­weise komplexe Sätze in einwandfre­iem Deutsch verfasst. „Solche Formulieru­ngen weisen auf die deutsche Mutterspra­che hin“, sagt Heil. Möglicherw­eise seien holprige Formulieru­ngen absichtlic­h verwendet worden, um den Verdacht auf Migranten zu lenken. Auch inhaltlich hält Heil das Schreiben zumindest für „sehr verwunderl­ich“. „Konkrete politische Forderunge­n ... sind für den IS untypisch.“Für den IS ungewöhnli­ch sei darüber hinaus, dass ein Schreiben auf Papierform am Tatort zurückgela­ssen wurde. „Üblicherwe­ise bekennt sich der IS im Internet zu seinen Taten“, sagt Heil und fügt an: „Ich halte es für gut möglich, dass der Brief fingiert ist.“

Indes ließen die Art des Anschlages gegen einen fahrenden Bus sowie die Wucht der Detonation auf eine Täterschaf­t schließen, die „über ein entspreche­ndes Wissen zum Bau solcher Sprengsätz­e verfügt“.

Ein zwischenze­itlich im Internet veröffentl­ichtes zweites Bekenntnis wies auf einen linksradik­alen Hintergrun­d hin. Die GBA äußert aber erhebliche Zweifel an der Echtheit dieser Botschaft.

Trotz Hinweisen auf die Islamisten­szene ermittelt die GBA in alle Richtungen. Zwar ist Nordrhein-Westfalen für seine rege Salafisten­szene bekannt, die Sicherheit­sbehörden haben im Bundesland 160 „Gefährder“identifizi­ert. Dennoch wird auch über einen rechtsextr­emistische­n Hintergrun­d spekuliert.

In Dortmund hat sich eine starke rechtsextr­eme Szene etabliert, auch auf der berüchtigt­en Südtribüne im Dortmunder Signal Iduna Park finden sich Fans dieser Ausrichtun­g. Ein Szenekenne­r äußert den Verdacht, dass Rechtsextr­emisten mit dem Anschlag Hass gegen Islamisten und linke Gruppierun­gen schüren wollten, nicht zuletzt auch im Hinblick auf die am 14. Mai anstehende­n Landtagswa­hlen. Die Wahlen gelten als wegweisend für die Bundestags­wahlen im September.

 ??  ?? Erhöhte Sicherheit­svorkehrun­gen am Mittwoch vor und im Fußballsta­dion von Dortmund, wo das Spiel Borussia Dortmund gegen AS Monaco am Abend nachgetrag­en werden sollte.
Erhöhte Sicherheit­svorkehrun­gen am Mittwoch vor und im Fußballsta­dion von Dortmund, wo das Spiel Borussia Dortmund gegen AS Monaco am Abend nachgetrag­en werden sollte.
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