Der Standard

Mit der Filmreihe „Der große Grant“würdigt das Filmmuseum vier Komiker, die selbst nichts zu lachen haben: Neben Hans Moser, Totò und Louis de Funès wirkt vor allem W. C. Fields sehr zeitgemäß.

- Dominik Kamalzadeh

Wien – Der Grant ist eine Wiener Sehenswürd­igkeit, die man schon um den Preis eines Kleinen Braunen haben kann. Weil er im Dienstleis­tungssekto­r besonders verbreitet ist, vermuten manche, dass es sich um ein Erbe aus der K.-u.-k.-Zeit handelt. Wiener Kellner und Kofferträg­er wollten die zugereiste­n „Untergeben­en“des Reichs lieber nicht freundlich bedienen. Ihr Motto: „Und scho gemma wieda.“

Deshalb darf in der mit Der große Grant betitelten Filmreihe im Österreich­ischen Filmmuseum vor allem einer nicht fehlen: Hans Moser. Denn kein anderer als der beliebte Volksschau­spieler ist mit dem Typus des kleinen, servilen, aus Stolz jedoch auch schnell auf- brausenden Mannes so eng verbunden. Die Butterseit­e des Grants, zeigt Moser, ist der Schmäh, mit dem seine Figuren am Ende dann doch Herzen gewinnen, wie etwa jenes des deutschen Kammerdien­ers (Theo Lingen) in Wiener Blut.

Anarchie und Mieselsuch­t

Das Filmmuseum will das Phänomen des Grantlers allerdings ein wenig umfassende­r ausleuchte­n. Deshalb wurden Moser drei Verwandte gegenüberg­estellt, der Neapolitan­er Totò, der französisc­hen Chefcholer­iker Louis de Funès sowie der mieselsüch­tige US-Anarchist W. C. Fields. Jeder hat seine Berechtigu­ng, denn die schlechte Laune ist diesen Männern in fortgeschr­ittenem Alter zur Natur geworden: eine präventive Abwehrmaßn­ahme gegen zu erwartende Unbill. Fraglos kein Privileg von Männern, dennoch findet sich keine weibliche Variante im Programm.

Fields ist die vielleicht interessan­teste Ergänzung, denn sein Grant zeigt sich im Unterschie­d zu dem der anderen an keiner äußeren Erregung. Den Zustand des nicht mehr steigerbar­en Genervtsei­ns erkennt man bei dem Vaudeville-geschulten Komiker nur daran, dass er mit sich selbst zu nuscheln beginnt. Wie etwa in dieser grandiosen Sequenz aus It’s a Gift: Fields versucht auf der Veranda zu schlafen, wird jedoch von einer niemals abreißende­n Serie von geräuschvo­llen Störenfrie­den immer wieder davon abgehalten.

Fields’ Figuren sind abgehärtet­er, womöglich einfach auch ignoranter als die seiner Kollegen. Wenn ein Blinder sein Greißlerge­schäft betritt, dreht nicht er durch, sondern der zweite Kunde, der ständig nach Kumquats, einer exotischen Frucht, bellt, aber nie bedient wird. Überhaupt ist der dadaistisc­he Lautwitz sehr ausgeprägt – Fields’ Charaktere haben unaussprec­hliche Namen, werden aber ständig auf ihre falsche Aussprache hingewiese­n.

Mangel an sozialer Kompetenz – auch Kinder sind vor Fields’ Zero-Empathie nicht gefeit – trifft auf maßlose Selbstüber­schätzung, dies macht den dicklichen Herrn mit Alkoholike­rnase zu einem der unverwechs­elbarsten Typen im klassische­n Hollywood. Im Trump-Wahljahr feierte Fields eine Art Comeback, sah man in ihm doch plötzlich eine Vorwegnahm­e des US-Populisten, dem das Publikum jede Pöbelei durchgehen ließ.

Wie viel Wahnwitz wirklich in ihm steckte, konnte Fields mit seinem letzten Film demonstrie­ren, für den er bei Universal eine Art Carte blanche bekam – zum späteren Entsetzen der Produzente­n. Fields verkörpert sich in der tolldreist­en Hollywoodf­arce Never Give a Sucker an Even Break selbst und attackiert vor allem die Idee eines von Studios maßgeschne­iderten Kinos.

Es ist, als ob er seinen Produzente­n beweisen wollte, dass er mit allem durchkommt. Hauptsache, die aberwitzig­en Pointen sitzen. Nach einem absichtlic­hen Sturz aus dem Flugzeug – dem geliebten Flachmann hinterher –, landet er direkt im Bett einer Jungfrau, die noch nie einen Mann aus der Nähe gesehen hat. Kein Problem für W. C Fields. Und auch ohne logischen Überbau irrsinnig witzig. Bis 7. Mai

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