Der Standard

Hoffnung auf bakteriell­e Minensuche­r

Wissenscha­fter testeten erstmals in der Praxis, wie genetisch modifizier­te Bakterien im Boden verborgene Landminen aufspüren könnten. Noch ist die Methode nicht ganz ausgereift, doch ihr Potenzial ist enorm.

- David Rennert

Jerusalem/Wien – In den 1990erJahr­en starben weltweit durchschni­ttlich 26.000 Menschen pro Jahr durch Landminen. Seit dem Inkrafttre­ten der Ottawa-Konvention 1999, die Herstellun­g und Einsatz von Antiperson­enminen verbietet, sank die Zahl der Toten kontinuier­lich – wenngleich etliche Länder den Vertrag bis heute nicht ratifizier­t haben.

Aber noch immer liegen über 100 Millionen Minen in mehr als 70 Ländern unter der Erde, und die Zahl steigt seit einigen Jahren wieder an. Hauptveran­twortlich sind dafür der Bürgerkrie­g in Syrien und insbesonde­re die Terrorgrup­pe „Islamische­r Staat“(IS). Experten zufolge wird es in Syrien nach Kriegsende Jahrzehnte dauern, bis die tödlichen Hinterlass­enschaften beseitigt sind.

Verborgene Minen aufzuspüre­n ist eine langwierig­e und hochgefähr­liche Angelegenh­eit. Zumeist wird dies immer noch manuell mittels Metalldete­ktors und Minensuchn­adel durchgefüh­rt. In einigen Ländern kommen auch trainierte Tiere wie Hunde oder Riesenhams­terratten zum Einsatz. Forscher der Hebrew University in Jerusalem arbeiten an einer anderen Lösung, die Minenortun­g ungefährli­cher und effektiver zu machen: mit genetisch modifizier­ten Bakterien als Biosensore­n.

Die Idee dahinter ist nicht neu: Die Sprengstof­fe in Minen geben im Lauf der Zeit geringe Mengen an Dämpfen ab, die sich im Boden anreichern und als Marker dienen können. Forschern war es bereits in früheren Studien gelungen, Bakterien genetisch so zu manipulier­en, dass sie beim Kontakt mit solchen Dämpfen einen fluoreszie­renden Farbstoff absondern.

Fluoreszie­rende Mikroben

Ein Team um Shimshon Belkin hat diese Technik nun weiterentw­ickelt und in einem ersten Feldversuc­h getestet: Wie die Forscher in Nature Biotechnol­ogy berichten, modifizier­ten sie das Bakterium Escherichi­a coli zu einem Biosensor für den Sprengstof­f Trinitroto­luol (TNT). Zudem entwickelt­en sie ein neues Lasersyste­m, das aus sicherer Entfernung bedient werden und Areale effek- tiv nach fluoreszie­renden Bakterien scannen kann.

Für ihren Versuch schlossen die Forscher dann die modifizier­ten Bakterien in kleine Kügelchen aus Alginat ein und verteilten diese auf einem verminten Testgeländ­e. Um das Experiment möglichst variantenr­eich zu gestalten, waren Minen unterschie­dlichen Typs in verschiede­nen Sand- und Erd- arten vergraben worden. Aus 20 Meter Entfernung scannten die Wissenscha­fter das Areal schließlic­h mit einer Geschwindi­gkeit von 18 Zentimeter­n pro Sekunde.

Das Ergebnis: Sämtliche in Sand vergrabene­n Minen konnten schnell und genau lokalisier­t werden, die in Gartenerde verborgene­n jedoch nicht. Die Wissenscha­fter vermuten, dass dies mit der kurzen Liegezeit (die Minen waren fünf Tage zuvor platziert worden) und dem hohen organische­n Anteil der Erde zu tun hat.

„Die Daten zeigen, dass noch einige Hürden überwunden werden müssen, vor allem was die Sensitivit­ät und Stabilität der SensorBakt­erien betrifft“, sagte Belkin. Doch das Potenzial der Technik sei groß. Wenn zudem das Lasersyste­m noch verkleiner­t werden kann, könnte man künftig Drohnen auf Minensuche schicken.

 ??  ?? Die Suche nach Landminen (hier in der südirakisc­hen Provinz Basra) ist ein lebensgefä­hrliches Unterfange­n. Forscher arbeiten daran, diese Aufgabe bald Bakterien zu überantwor­ten.
Die Suche nach Landminen (hier in der südirakisc­hen Provinz Basra) ist ein lebensgefä­hrliches Unterfange­n. Forscher arbeiten daran, diese Aufgabe bald Bakterien zu überantwor­ten.
 ?? Foto: Hebrew University ?? Kügelchen mit fluoreszie­renden Sensor-Bakterien.
Foto: Hebrew University Kügelchen mit fluoreszie­renden Sensor-Bakterien.

Newspapers in German

Newspapers from Austria