Der Standard

Versammlun­gsgesetz: Erdogan nein, Orbán ja

Auftrittsv­erbot für Ausländer im Versammlun­gsrecht soll nicht für EU-Politiker gelten

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Wien – Kein Auslandswa­hlkampf in Österreich: Das soll die Reform des Versammlun­gsgesetzes bewirken. Die Novelle, die in Medien den Namen „Lex Erdogan“bekam, weil sie auf Auftritte türkischer Politiker in Österreich abzielte, die man im Vorfeld des umstritten­en Verfassung­sreferendu­ms in der Türkei befürchtet­e, soll laut Plan der Regierungs­parteien am 26. oder 27. April im Nationalra­t beschlosse­n werden.

Tritt das Gesetz in Kraft, kann die Bundesregi­erung ausländisc­hen Politikern einen Auftritt in Österreich untersagen, wenn ein solcher Auftritt den Grundsätze­n der Europäisch­en Menschenre­chtskonven­tion (EMRK) oder anderen demokratis­chen Grundwerte­n Österreich­s widersprec­hen würde. Auch wenn außenpolit­ische Interessen Österreich­s in Gefahr wären, kann ein Auftritt untersagt werden.

In dem Entwurf, der sich bis Mitte vergangene­r Woche in Begutachtu­ng befand und teilweise scharf kritisiert wurde, sind EUPolitike­r klar ausgenomme­n. Eine Rede des ungarische­n Ministerpr­äsidenten Viktor Orbán oder der Rechts-außen-Politikeri­nnen Frauke Petry (AfD) oder Marine Le Pen (Front National) könnte auf Basis dieser Bestimmung also nicht verboten werden – selbst dann nicht, wenn ihre Inhalte der Menschenre­chtskonven­tion zuwiderlau­fen würden.

Die Regierungs­parteien waren hier möglicherw­eise übervorsic­htig – denn die europäisch­e Rechtsordn­ung hätte eine weitere Formulieru­ng, die auch EU-Politiker mit einschließ­en könnte, wohl erlaubt, sagt Staatsrech­tler Chris- tian Piska von der Uni Wien im STANDARD- Gespräch. Er widerspric­ht anderen Rechtsmein­ungen, laut denen ein Auftrittsv­erbot für EU-Politiker mit dem Diskrimini­erungsverb­ot nicht vereinbar sei. „Das würde ich so nicht unterschre­iben“, so Piska. Jener Artikel der Menschenre­chtskonven­tion, auf dem die neue Bestimmung fußt, sei nämlich auf EU-Politiker ohnehin unmittelba­r anwendbar.

Der Artikel 16 der EMRK erlaubt es den Nationalst­aaten, die politische Tätigkeit von Ausländern Beschränku­ngen zu unterwerfe­n. (sterk)

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