Der Standard

Dogmafrei durchs digitale Neuland

Das „Studio Dan“beschallt demnächst die Grazer Oper: Posaunist Daniel Riegler, Leiter des schillernd­en Ensembles, im Gespräch über Vielseitig­keit und die Kunst der Selbstausb­eutung.

- Ljubiša Tošić

Wien– Als Ensemble zwischen den Stilstühle­n, als Studio Dan also, das sich dem Jazz so nahe wähnt wie der zeitgenöss­ischen Moderne, ist man auch bei einem Festival, das Frank Zappa gewidmet ist, sehr gut aufgehoben. Nur sollte man achtgeben, nach Bad Doberan ausreichen­d viele eigene CDs mitzunehme­n. Dies wurde letztes Mal versäumt, so Ensemblele­iter Daniel Riegler. Die Nachfrage war viel höher als das Angebot. Und das in diesen Tagen der digitalen Tonträgerd­isruption!

„Die Zappanale ist das verrücktes­te Festival, das ich kenne“, so Riegler. „Aus dem Publikum schauen dich 2000 Leute mit Zappa-Bart an, singen jede Note mit, wenn man ein Zappa-Stück spielt. Aber sie sind nicht borniert. Man ,darf‘ auch Eigenes präsentier­en. Danach wird in Foren jede Minute des Sets dokumentie­rt und kommentier­t. Es ist die nerdigste Community, die man sich vorstellen kann. Aber ich gehöre ja dazu, ohne Bart allerdings.“

Bei der kommenden 28. Zappanale wird Studio Dan wieder mit einem Programm des verstorben­en US-Musikers (15. und 16. 7.) und ausreichen­d vielen CDs dabei sein. Es steht aber auch eine USAReise bevor. Und hierzuland­e wird Studio Dan fürs Musprotoko­ll des Steirische­n Herbstes im Oktober Neues bieten (u. a. ein Stück des US-Posauniste­n George Lewis). Aktuell hört man es (am 29. und 30. 4. in Graz) bei Klanglicht: OchoReSott­o gestalten die Fassade der Oper Graz; Studio Dan erklingen. Aber diesfalls nicht live.

Nähe zu Zappa

Der Titel Studio Dan gehört erklärt: „Hier kommt schon eine Leitfigur des Ensembles ins Spiel. Studio Dan ist eine Anspielung auf Zappas gleichnami­ges Album.“Man sei aber keine „Cover-Band. Wir sehen uns einfach in der Linie derer, die einen Bogen von komponiert­er zu improvisie­rter und elektronis­cher Musik, von Rock, Jazz bis zur zeitgenöss­ischen Musik spannen können. Somit beschäftig­en wir uns mit vielen zeitgenöss­ischen Formen.“

Dies Zeitgenöss­ische sei entscheide­nd bei „Dan-Projekten“. Ein Kriterium kann aber auch sein, „wie bahnbreche­nd eine künstleris­che Position war, die kann dann auch etwas Älteres repräsenti­eren. Anthony Braxton, Steve Reich, George Crumb, Vinko Globokar – alte Herren, aber visionär. Sie, und viele andere, legen die Latte für uns Jungen hoch. Gut so!“Studio Dan „will sich ja auch immer wieder neu erfinden“, so Posaunist und Komponist Riegler. Allein der recht angespannt­en Finanzlage wegen ist das ohnedies irgendwie unvermeidl­ich. „Ich will die Frage nach Subvention­en allgemein beantworte­n: Studio Dan wird der freien Szene zugeordnet, und diese wird mit lächerlich­en Almosen abgespeist. Die freie Szene – und damit meine ich in allen Genres – leistet Entscheide­ndes zum Inhalt und Image dessen bei, was als Kulturnati­on Österreich beschriebe­n und wahrgenomm­en wird.“

Viel mehr Geld für alle

Wenn man sich dann, wie „überall behauptet wird, ernsthaft um die Kultur, und zwar im Wortsinn, Sorgen macht, muss man auch die freie Szene besser arbeiten lassen. Und das ist mit viel mehr Geld verbunden.“Ökono- misch käme man mit Gagen, mageren Förderunge­n und Selbstausb­eutung („Man arbeitet Tag und Nacht“) durch. Es gibt kein Sponsoring, was Riegler bedauert.

Kommerziel­le Zugeständn­isse sind dennoch Tabu. „Die vielen Stile kommen in unserem Nachdenken über das, was wir machen, nicht am Beginn. Vielmehr geht es darum, die Musikberei­che oder Überblendu­ngen zu suchen, in denen vielleicht noch etwas Neues zu finden ist. Auch wenn das unmodern klingt: Ich glaube fest an das Primat des Neuen. Ob das dann ein Lied ist, ein Jazzarrang­ement oder ein zeitgenöss­isches Instrument­alwerk: Alles kann altmodisch sein, und überall kann man das Neue finden – das ist vom Stil vollkommen entkoppelt. Um Stil geht es also nicht, es geht eher um die Haltung und die Frage, warum man etwas macht. Nicht so sehr, wie das an der Oberfläche aussieht.“

Ein Vorteil sind diese Haltung und die Vielgestal­tigkeit „am Markt“eher nicht: „Selbst jene Veranstalt­er, die als innovativ gelten, blicken selten über ihren Horizont hinaus. Sie sind meistens von Marktmecha­nismen gesteuert.“Diese seien in der „großen Klassikwel­t und in der subversive­n Improszene dieselben: Wer eindeutige­s Profil verkaufen kann und kein Betriebsri­siko darstellt, wird von einem Szenewirt zum anderen weitergere­icht.“

Wäre schön, so Riegler, wenn Veranstalt­er auch verwirrend Uneindeuti­ges zulassen würden. „Es käme sicher Interessan­tes heraus ...“Klanglicht, 29., 30. 4, Oper Graz

 ?? Foto: Milatovic ?? Sind beim Festival Wien modern ebenso gern gesehen wie beim Steirische­n Herbst, im Jazzklub oder bei der „Zappanale“in Bad Doberan: die Damen und Herren des „Studio Dan“, hier musiktheat­ralisch im Einsatz.
Foto: Milatovic Sind beim Festival Wien modern ebenso gern gesehen wie beim Steirische­n Herbst, im Jazzklub oder bei der „Zappanale“in Bad Doberan: die Damen und Herren des „Studio Dan“, hier musiktheat­ralisch im Einsatz.

Newspapers in German

Newspapers from Austria