Europa und sein Eine-Billion-Dollar-Problem
IWF warnt erneut vor zu vielen faulen Krediten – Kritik am kleinteiligen Bankensektor Österreichs
Die Aufräumarbeiten im Bankensektor haben rund zehn Jahre nach Beginn der Finanzkrise deutliche Fortschritte gemacht. Das war die gute Nachricht der Bankenexperten des Internationalen Währungsfonds (IWF) am Mittwoch, die ihren neuesten Bericht zur weltweiten Finanzstabilität vorgestellt haben.
Die schlechte Nachricht lautet, dass vor allem in Europa viele Institute, besonders kleine und lokal tätige, weiter mit großen Problemen kämpfen. Eine der zentralen Sorgen des IWF sind die faulen Kredite: Das sind Darlehen, die von Schuldnern nicht mehr zurückbezahlt werden können. Die Non-performing Loans sind in den vergangenen zwei Jahren zwar deutlich gefallen, in Summe um rund 120 Milliarden US-Dollar. Doch noch immer schleppen Europas Banken faule Kredite in Höhe von einer Billion Dollar (940 Milliarden Euro) mit sich herum.
Die größten Probleme gibt es in Irland, wo 8,5 Prozent der Darlehen faul sind. Aber auch in Italien (6,2) und Portugal (4,3) sei die Quote zu hoch. In Österreich sind 1,3 Prozent der Darlehen faul. Banken laborieren oft lange an problematischen Krediten. Sie versuchen mit den Kunden Lösungen zu verhandeln, etwa geringere Ratenzahlungen über einen längeren Zeitraum zu vereinbaren. Doch das bindet Kapazitäten der Mitarbeiter, kostet also Geld.
Kritik kommt vom Fonds am kleinteiligen Finanzsystem in vielen EU-Ländern, besonders in Österreich. Im europäischen Vergleich ist Österreich eines der Länder mit den meisten kleinen Kreditinstituten. Der IWF spricht von 678 selbstständigen Banken im Land. Zum Vergleich: In Belgien sind es 99, in den Niederlanden 209. Die Zersplitterung in Österreich ist im Sparkassen- und Raiffeisensektor traditionell groß.
Laut IWF sind die kleinen Banken oft weniger profitabel. Sie können daher nicht ausreichend Sicherheitspuffer aufbauen, um sich vor künftigen Krisen zu wappnen. Im europäischen Vergleich verfügen Österreichs Banken tatsächlich über weniger Eigenkapital. Aber kennen lokale Banken ihre Kunden nicht viel besser, können also Probleme früher erkennen? Manchmal sei das der Fall, sagt der oberste IWF-Bankenspezialist Tobias Adrian. Doch oft treiben fehlende Gewinnaussichten lokale Institute dazu, überhöhte Risiken auf der Suche nach Profit in Kauf zu nehmen. Das habe die Finanzkrise gezeigt.
Eine Warnung des IWF gibt es für China: Seit 2010 sind die Kredite der chinesischen Banken an Unternehmer und Konsumenten in die Höhe geschossen. Noch 2010 lag das Volumen der Darlehen bei 140 Prozent der chinesischen Wirtschaftsleistung. Heute sind es 200 Prozent. Eine derart schnelle Expansion erinnere an die Bildung von Kreditblasen in vergangenen Jahrzehnten, so der IWF, etwa in den USA im Vorfeld der Finanzkrise. (szi)