Selbstauflösung nach nur zwei Jahren
Um ein stärkeres Mandat für die Brexit-Gespräche zu bekommen, will Theresa May nach nur 25 Monaten neu wählen lassen. Das Parlament sieht das genauso und stimmte für Neuwahlen am kommenden 8. Juni.
Mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit hat das Londoner Unterhaus am Mittwoch seiner Selbstauflösung nach einer nicht einmal zweijährigen Legislaturperiode zugestimmt. Damit ist der Weg frei für die von Premierministerin Theresa May geforderte Neuwahlen am 8. Juni.
In ihrer von andauernden Zwischenrufen unterbrochenen Ansprache begründete die Konservative ihr Anliegen mit dem Wunsch, neuen Rückhalt für die anstehenden EU-Austrittsverhandlungen zu gewinnen. „Wir brauchen ein Mandat für den Erfolg unserer Brexit-Strategie.“
Sprecher der Opposition wiesen darauf hin, dass May seit ihrer Amtsübernahme immer wieder, zuletzt vor vier Wochen, Neuwahlen ausgeschlossen hatte. „Der Premierministerin kann man nichts glauben“, sagte LabourChef Jeremy Corbyn. Seine Partei will den Wahlkampf mit Themen wie Gesundheit und Bildung bestreiten, plant zudem eine Steuererhöhung für Spitzenverdiener.
Die Wahl habe weniger mit dem nationalen Interesse zu tun als vielmehr mit dem „verheerenden Zustand der Labour-Party“, argu- mentierte Angus Robertson, Fraktionschef der schottischen Nationalpartei SNP. May sehe die Chance für einen harten Brexit samt Austritt aus dem EU-Binnenmarkt sowie weiterer Einsparungen bei den Sozialleistungen.
Gegenstimmen, Enthaltungen
Bei der Abstimmung votierte Labour mehrheitlich mit der Regierungsfraktion, hingegen enthielten sich die SNP-Abgeordneten; Liberaldemokraten und Kleinparteien stimmten dagegen. Die Abstimmung endete 522:13 für Neuwahlen.
Im Durchschnitt der letzten Umfragen liegen die Konservativen bei 43 Prozent (2015: 37) vor Labour mit 23 (30), Ukip mit elf (13) und den Liberaldemokraten mit zehn (acht) Prozent. Ein vergleichbares Ergebnis würde den Torys einen Erdrutschsieg und einen Vorsprung von gut 100 Mandaten vor allen Oppositionsfraktionen sichern.
Einige der im Jahr 2015 abgewählten Schwergewichte hoffen nun auf ein Comeback in Westminster. Dazu zählt der Labour-Finanzexperte Edward Balls. Bei den EU-freundlichen Liberaldemokraten, deren Mitgliederzahl am Dienstag binnen weniger Stunden um 5000 in die Höhe schnellte, führt der frühere Wirtschaftsminister Vincent Cable die Liste hoffnungsvoller Kandidaten an.
Mit Sicherheit wird dem neuen Parlament eine Reihe erfahrener Abgeordneter nicht mehr angehören. So kündigte Ex-Finanzminister George Osborne an, er werde „bis auf weiteres“nicht wieder kandidieren. Der 45-jährige enge Vertraute des früheren Premiers David Cameron galt als zukünftiger Rivale Mays für den Fall, dass deren Brexit-Strategie fehlschlagen würde. Er dürfte ihr jetzt in seiner neuen Funktion als Chefredakteur des Evening Standard das Leben schwermachen.
Bei Labour wollen der frühere Innenminister Alan Johnson und der Wirtschaftsexperte Iain Wright nicht kandidieren. Auch andere gemäßigte Labour-Parlamentarier stehen vor der schwierigen Frage, wie sie der Wählerschaft den ungeliebten Vorsitzenden Jeremy Corbyn als möglichen Premierminister schmackhaft machen sollen. Noch vor zehn Monaten hatte die Fraktion dem 67-jährigen Linksaußen mit 80-prozentiger Mehrheit das Misstrauen ausgesprochen. Von Demoskopen vor die Wahl gestellt, halten lediglich 14 Prozent der Briten Corbyn für den besseren Premierminister, 50 Prozent würden sich für May entscheiden.
May gegen TV-Debatten
Auf diesen persönlichen Vorteil wies die Amtsinhaberin bei der wahrscheinlich vorletzten Fragestunde an die Premierministerin dieser Legislaturperiode mehrfach hin. Vier Labour-Abgeordneten hielt sie vor, diese hätten Corbyn als Parteichef abwählen wollen: „Warum soll er dann geeignet sein, das Land zu führen?“
Der Angesprochene, ebenso wie andere Oppositionssprecher, kritisierten May für deren erklärte Absicht, im Wahlkampf allen geplanten TV-Debatten fernzubleiben. Dies sei „im 21. Jahrhundert nicht mehr zeitgemäß“, sagte SNPFraktionschef Robertson.