Der Standard

Anti-NGO- Gesetz „à la russe“

Ungarische­s Parlament debattiert restriktiv­es Gesetz

- Gregor Mayer aus Budapest

Das ungarische Parlament hat gestern, Mittwoch, einen Gesetzesen­twurf debattiert, in dessen Sinne vom Ausland unterstütz­te Zivilorgan­isationen nach russischem Vorbild gebrandmar­kt werden sollen. Die Vorlage war von vier Abgeordnet­en der Fidesz-Partei des rechtspopu­listischen Ministerpr­äsidenten Viktor Orbán eingereich­t worden. „Der Gesetzesvo­rschlag dient ausschließ­lich der Transparen­z und bedeutet in keinerlei Hinsicht die Abstempelu­ng von auslandsfi­nanzierten Organisati­onen“, erklärte Fidesz-Vizefrakti­onschef Gergely Gulyás.

Tatsächlic­h ähneln die Bestimmung­en des Gesetzes denen eines russischen Regelwerks aus dem Jahr 2012, mit dessen Hilfe Präsident Wladimir Putin den NGOs das Leben schwermach­t. Auch in Ungarn werden sich Zivilorgan­isationen, die Geld aus dem Ausland erhalten, extra bei Gericht registrier­en lassen müssen, wenn die Unterstütz­ung das eher niedrig angesetzte Limit von 7,2 Millionen Forint (23.000 Euro) im Jahr überschrei­tet. Vor allem aber müssen sie dann auch in jeder Publikatio­n und bei jedem Internetau­ftritt die Bezeichnun­g „vom Ausland unterstütz­te Organisati­on“anführen. In dem Klima der Einschücht­erung und Angst, das der Orbán-Staat und seine Bürokratie geschaffen haben, könnte das dazu führen, dass Partner und inländisch­e Förderer dieser Organisati­onen vom Mut verlassen werden und die Zusammenar­beit einstellen.

Zugleich lässt sich die Behauptung nicht aufrechter­halten, dass der Entwurf lediglich gesetzlich­en Bestimmung­en folge, wie sie etwa in den USA existieren. Der 1938 geschaffen­e Foreign Agents Registrati­on Act (Fara) richtete sich gegen den Export von Nazi-Propaganda in die USA. Nach 1945 wurde er mehrfach abgeschwäc­ht, sodass er sich heute nur mehr noch auf Lobbyisten von ausländisc­hen Regierunge­n bezieht. Die ungarische Gesetzesvo­rlage zielt hingegen bewusst auf kritische NGOs ab wie etwa das Helsinki-Komitee oder den ungarische­n Ableger von Transparen­cy Internatio­nal (TI).

„Wer hier eine sachliche Diskussion erwartet, befindet sich auf einem Irrweg“, meinte der sozialisti­sche Abgeordnet­e Gergely Bárándy in seiner Wortmeldun­g am Mittwoch. „Der Gesetzesen­twurf ist ein Produkt der persönlich­en Weisungen und politische­n Absichten Orbáns.“

„Verdrängun­g der Soros-Welt“

In den sieben Jahren seiner Herrschaft hat der Regierungs­chef die Demokratie in Ungarn stark abgebaut. Die NGOs mit ihren kritischen Berichten und Expertisen sind noch ein letzter Stachel im Fleisch. Viele von ihnen erhalten Förderunge­n von Stiftungen des US-Milliardär­s George Soros. In einem Interview vor der Jahreswend­e hatte Orbán angekündig­t, dass das heurige Jahr von der „Verdrängun­g“der „Soros-Welt“aus Osteuropa handeln werde. Bereits zu Monatsbegi­nn hatte das Parlament mit den Stimmen der OrbánParte­i ein Gesetz beschlosse­n, das die vor 25 Jahren von Soros gegründete Central European University (CEU) mit der Schließung bedroht.

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