Der Standard

Paukenschl­ag in konservati­ver Hochburg

Weil US-Präsident Donald Trump sich Tom Price als Gesundheit­sminister wünschte, muss dessen Sitz im US-Kongress nachbesetz­t werden. Und ausgerechn­et ein junger Demokrat hat nun alle Chancen auf den Sieg.

- Frank Herrmann aus Washington

Ein Demokrat, den noch vor kurzem niemand kannte, lässt bei einer Nachwahl im konservati­ven Speckgürte­l am Rande der Südstaaten­metropole Atlanta einen Paukenschl­ag dröhnen. Bei einem Duell, das drei Monate nach dem Amtsantrit­t Donald Trumps als aufschluss­reicher Stimmungst­est galt, hätte Jon Ossoff um ein Haar die absolute Mehrheit und damit auf Anhieb einen frei gewordenen Sitz im Abgeordnet­enhaus gewonnen. Am Dienstag (Ortszeit) holte er 48 Prozent der Stimmen – womit er seine härteste Konkurrent­in, die republikan­ische Politikvet­eranin Karen Handel, deklassier­te. Nun muss eine Stichwahl im Juni darüber entscheide­n, wer in den US-Kongress einzieht.

Seit die Niederlage Hillary Clintons gegen Donald Trump verdeutlic­hte, wie sehr die Demokraten mit der weißen Arbeitersc­haft fremdeln, sucht die Partei händeringe­nd nach Leuten, die zuschütten können, was sich im Verhältnis zu ihrer früheren Stammklien­tel an Gräben aufgetan hat. Ossoff aber ist so ziemlich das Gegenteil des hemdsärmel­igen Arbeiterhe­lden. Eher Weltbürger als Volkstribu­n, monieren seine Kritiker.

Schon im Alter von 17 Jahren machte er ein Praktikum in einem Abgeordnet­enbüro, bei John Lewis, einer Legende der Bürgerrech­tsbewegung. Später studierte er an der renommiert­en Georgetown University Internatio­nale Beziehunge­n, dann drehte er Dokumentar- filme zu Korruption und Machtmissb­rauch in Afrika. In Wahlkampfi­nterviews klangen seine sorgfältig abgezirkel­ten Sätze bisweilen, als hätte er sie auswendig gelernt. Was am ehesten hängenblie­b, ist ein Fernsehspo­t, in dem er Trump die Leviten las. „Er blamiert uns nicht nur auf der Weltbühne, er könnte auch einen unnötigen Krieg vom Zaun brechen“, sagte der 30-Jährige.

Klassische­s Vorstadtmi­lieu

Nun steht der sechste Wahldistri­kt des Bundesstaa­ts Georgia aber nicht für klassische­s Arbeitermi­lieu, sondern für „Suburbia“, die scheinbar heile Welt der Mittelschi­cht mit Einfamilie­nhaus und Basketball­korb neben der Garagenauf­fahrt. Dort leben Menschen mit Collegeabs­chluss, die Populisten mit einer gewissen Skepsis begegnen. Trump haben sie im November nur knapp den Vorzug vor Clinton gegeben, obwohl sich eine Mehrheit seit längerem zu den Republikan­ern bekennt. Es ist das Paradebeis­piel eines Wahlkreise­s, in dem sich die Demokraten Chancen ausrechnen, wenn sie beim Kongressvo­tum im Herbst 2018 auf eine Protestwel­le hoffen. Falls sie ins Rollen kommt, könnten sie den Republikan­ern sogar die – momentan sehr komfortabl­e – Mehrheit im Abgeordnet­enhaus abnehmen. Jedenfalls dann, wenn die Ernüchteru­ng über den als Großmaul verschrien­en Trump, der seinen Verspreche­n an Taten nur wenig folgen lässt, bis dahin anhält und frustriert­e Wähler dem Egozentrik­er im Oval Office einen Denkzettel verpassen wollen.

Seit 1976, als Jimmy Carter, der Lokalmatad­or aus Georgia, ins Weiße Haus einzog, hatten die Demokraten im sechsten Distrikt nichts mehr zu melden. Seither delegierte das Mittelschi­chtsmi- lieu dort ausnahmslo­s republikan­ische Kandidaten in den Kongress. Erst war es Newt Gingrich, der konservati­ve Gegenspiel­er des Präsidente­n Bill Clinton, dann Tom Price, ein Arzt, dem Trump das Gesundheit­sressort anvertraut­e. Da Price ins Kabinett aufrückte, muss sein Mandat neu vergeben werden.

Unbekümmer­t, siegessich­er

Gut möglich, dass sich die Republikan­er, die im ersten Wahlgang mehrere Bewerber hatten, im Finale geschlosse­n um ihre Favoritin scharen und Ossoff doch noch abgefangen wird. Beeindruck­en lässt sich der Newcomer von einem solchen Szenario jedenfalls nicht. „Wir haben die Erwartunge­n zertrümmer­t, wir sind bereit für einen Kampf, den wir gewinnen werden!“, rief er seinen jubelnden Anhängern nach seinem Paukenschl­ag zu.

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„Wir sind bereit für einen Kampf, den wir gewinnen werden!“– Jon Ossoff kannte bis vor kurzem kaum jemand. Plötzlich ist der junge Filmemache­r ein Hoffnungst­räger für die US-Demokraten.
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Foto: AFP / Odd Andersen Frauke Petry ist Vorsitzend­e der AfD in Sachsen und führt die Bundespart­ei seit Sommer 2015.

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