Der Standard

Ankara weist Kritik zurück

Außenminis­ter: OSZE-Bericht „extrem parteiisch“

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Ankara/Wien – Nach dem türkischen Verfassung­sreferendu­m vom vergangene­n Sonntag wird weiter über dessen Rechtmäßig­keit debattiert – und zwar sowohl auf nationaler als auch auf internatio­naler Ebene. Nach der größten türkischen Opposition­spartei, der sozialdemo­kratischen CHP, beantragte am Mittwoch auch die prokurdisc­he HDP bei der Wahlkommis­sion die Annullieru­ng des Ergebnisse­s. Dieses hatte mit 51,4 Prozent eine knappe Mehrheit für ein Präsidials­ystem und damit für die Ausweitung der Vollmachte­n von Staatschef Tayyip Erdogan gebracht.

Die Abstimmung sei unter Notstandsr­echt abgehalten worden, begründete der stellvertr­etende HDP-Chef Mithat Sancar die Beschwerde. Zudem seien führende Politiker der HDP verhaftet, Parteimitg­lieder als Wahlbeobac­hter abgelehnt und staatliche Mittel für die „Ja“-Kampagne missbrauch­t worden. Heftige Kontrovers­en hatte zuvor die kurzfristi­ge Entscheidu­ng der Wahlkommis­sion ausgelöst, falsch oder gar nicht gestempelt­e Wahlzettel als gültig zu werten. CHP-Chef Kemal Kiliçdarog­lu warf der Regierung in diesem Zusammenha­ng einen „Putsch gegen den nationalen Willen“vor. Hunderte Bürger schlossen sich an und reichten ebenfalls Beschwerde bei der Wahlkommis­sion ein. Am frühen Abend berichtete die Nachrichte­nagentur Reuters von einer Stellungna­hme der Wahlkommis­sion, der zufolge der Vorwurf von Unregelmäß­igkeiten offiziell zurückgewi­esen wurde.

Auch OSZE-Beobachter hatten kritisiert, dass bei dem Referendum gegen internatio­nale Standards verstoßen worden sei. Ankara wies diese Kritik am Mittwoch als „inakzeptab­el“zurück. Der Bericht sei „extrem parteiisch“, erklärte Außenminis­ter Mevlüt Çavuşoglu. Rückendeck­ung bekamen die internatio­nalen Beobachter aus Berlin: Die deutsche Bundesregi­erung habe keinen Anlass, die Einschätzu­ngen von OSZE und Europarat in Zweifel zu ziehen, sagte der Außenamtss­precher.

Appelle aus der EU

Bereits am Dienstag hatte die EU-Kommission von der Türkei eine transparen­te Untersuchu­ng der Betrugsvor­würfe gefordert. Am Mittwoch legte Erweiterun­gskommissa­r Johannes Hahn dann nach: Nach dem Referendum sei „die Zeit gekommen, eine grundlegen­de Diskussion über die EU-TürkeiBezi­ehungen zu beginnen“. Ein möglicher Abbruch der EU-Beitrittsv­erhandlung­en mit Ankara war zuletzt häufig Gegenstand von Diskussion­en. (red)

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