Der Standard

„Schicksal der Elefanten liegt an China“

Rund 350.000 Elefanten leben noch in Afrika, pro Jahr werden 35.000 gewildert. Die Whistleblo­wer-Plattform Wildleaks nimmt Elfenbeinh­ändler ins Visier. Gründer Andrea Crosta ist Gast bei den Erdgespräc­hen in Wien.

- INTERVIEW: Julia Schilly

Standard: Gleich die erste Studie der Elephant Action League rund um Wilderei hat 2013 hohe Wellen geschlagen. Warum? Crosta: Gemeinsam mit Koautor Nir Kalron habe ich fast zwei Jahre in Kenia gearbeitet. Dort erfuhren wir von einem Wildereine­tzwerk in Somalia und haben realisiert, dass die militante islamistis­che Bewegung Al-Shabaab damals davon profitiert hat. Aber ich muss betonen, dass diese Studie das geopolitis­che Bild gezeichnet hat, das sich uns von 2010 bis 2012 darbot. Wie die Situation heute ist, wissen wir nicht. Es war die erste Untersuchu­ng dieser Art und hat das Narrativ rund um Elefantens­chutz verändert: Denn bis dahin ging es bei der Diskussion rund um Elfenbein um die Wilderei von Elefanten. Danach rückten auch die Menschenre­chte in den Vordergrun­d.

Standard: Ein Jahr später haben Sie dann Wildleaks gegründet. Was steckt dahinter? Crosta: Dabei handelt es sich um die erste Whistleblo­wer-Plattform im Bereich Umweltverb­rechen. Wildleaks ist keine Organisati­on, sondern ein dauerhafte­s Projekt, das aus der Elephant Action League (EAL) hervorgega­ngen ist. 90 Prozent unserer Aktivitäte­n bei EAL umfassen Informatio­nssammlung und Arbeit im Feld. Und Wildleaks ist das zweite Standbein und sammelt Informatio­nen aus der ganzen Welt.

Standard: In einem anderen ostafrikan­ischen Land, in Tansania, wurde die Elefantenp­opulation hauptsächl­ich durch Wilderei seit 2009 um 60 Prozent reduziert. Wie kann man diese Dynamik stoppen, solange ein Paar Stoßzähne das Dreifache eines durchschni­ttlichen Jahresgeha­lts garantiert? Crosta: Genau das ist der Punkt. Man kann Wilderei nicht dadurch stoppen, dass einzelne Wilderer verhaftet oder gar getötet werden. Und nebenbei: Jedes Jahr werden Tausende von Wilderern getötet, es werden von Regierunge­n nur keine Zahlen dazu veröffentl­icht. Viele von ihnen sind sehr arm, oft ohne Einkommen und haben Familie. Ich würde vermutlich ähnlich handeln. Und deshalb haben wir Wildleaks gegründet. Wir glauben, dass NGOs und Medien ihren Fokus zu sehr auf die Wilderei anstatt auf den Handel gelegt haben. Es ist viel zielführen­der, einen Mittelsman­n zu „entfernen“als einen Wilderer. Ein Wilderer wird schon am nächsten Tag ersetzt werden.

Standard: Wie unterschei­det sich die Arbeit von Wildleaks von jener traditione­ller NGOs? Crosta: Wir arbeiten mit geheimdien­stlichen Experten, auch mit ehemaligen Mitarbeite­rn des FBI oder von Strafverfo­lgungsbehö­rden, zusammen. Wir sind davon überzeugt, dass komplexe und weitverzwe­igte Probleme wie Umweltverb­rechen nicht nur von Fachleuten behandelt werden sollten. Wir rücken daher Informatio­nsbeschaff­ung in das Zentrum unserer Arbeit. Oft dauert es Monate, um zu verstehen, wer wie in den illegalen Handel involviert ist.

Man kann Wilderei nicht dadurch stoppen, dass einzelne Wilderer verhaftet oder gar getötet werden.

Standard: Im Rahmen von Wildleaks werden Straftaten aufgezeigt, mit denen viel Geld lukriert wird. Wie gefährlich ist diese Arbeit? Crosta: Umweltverb­rechen sind ein sehr profitable­s Geschäft. Aktuell werden damit knapp 200 Milliarden Euro pro Jahr lukriert. In einigen Ländern ist es also sehr gefährlich, diese Verbrechen aufzuzeige­n, auch für Journalist­en. Wir übernehmen die Aufgabe, diese Taten zu veröffentl­ichen. Standard: Die Plattform garantiert den Informante­n Anonymität. Welche Technologi­e wird genutzt? Crosta: Die Plattform basiert auf „Tor“, einem Netzwerk zur Anonymisie­rung von Verbindung­sdaten. Das garantiert den Informante­n komplette Anonymität.

Standard: Welche Kooperatio­nen ist Wildleaks bisher eingegange­n? Crosta: Erst vor zwei Wochen sind wir eine Partnersch­aft mit dem National Whistleblo­wing Center in Washington, D.C., eingegange­n. Es wird von Anwälten betrieben, die jede Form von Whistleblo­wing in Bereichen wie nukleare Sicherheit, Wirtschaft­skriminali­tät oder Umweltschu­tz in den Vereinigte­n Staaten behandeln. Vor kurzem wurde ein Fachbereic­h im Tier- und Artenschut­z gegründet. Wildleaks soll hier als eine Art Mauer zwischen der Quelle, die dadurch anonym bleibt, dem Whistleblo­wer Center und der US-Regierung fungieren.

Standard: Einige Jahre schien es so, als würde die globale Nachfrage an Elfenbein nachlassen. Der erneut legalisier­te Handel hat seit 2008 wieder die Schleusen geöffnet. Preise für Stoßzähne und auch Rhinozeros­hörner schießen in den Himmel. Welche Dynamiken spielten hier zusammen? Crosta: Es kamen einige Umstände zusammen. 2008 wurde China und Japan im Rahmen des Washington­er Artenschut­zübereinko­mmen Cites der legale Verkauf von Elfenbein aus afrikanisc­hen Lagerbestä­nden wieder erlaubt. Die beiden Länder kauften gemeinsam mehr als 100 Tonnen Elfenbein aus Lagerbestä­nden von Ländern wie Botswana oder Südafrika ein. Das geschah zu einer Zeit, als die chinesisch­e Mittelklas­se erstarkte, für die Elfenbein zum Statussymb­ol wurde. Die chinesisch­e Regierung entschied sich sogar dazu, Elfenbeins­chnitzerei in das chinesisch­e Kultur- erbe zu inkludiere­n. Das gab auch dem Schwarzmar­kt Aufwind: 90 Prozent des illegalen Elfenbeins werden heute nach China exportiert. Die legale Einfuhr erleichter­t Schmuggler­n die Arbeit.

Standard: Auf diesen Umstand haben Sie bereits in dem Dokumentar­film „The Ivory Game“hingewiese­n, in dem im Vorjahr der globale Elfenbeinh­andel thematisie­rt wurde. Wie können diese Entwicklun­gen in China gestoppt werden? Crosta: Das erste Mal in der Geschichte hat eine einzige Person das Schicksal einer ganzen Spezies in der Hand. Dabei handelt es sich um den chinesisch­en Präsidente­n Xi Jiping. Er ist der Einzige, der entscheide­n kann, den Markt für Elfenbein zu schließen. Denn China ist der Motor hinter der Krise. Es gibt Hoffnung: Die chinesisch­e Regierung hat Ende 2016 verkündet, dass der Markt Ende 2017 geschlosse­n werden soll. Die neue Krise entsteht jedoch bereits rund um Rhinozeros­hörner.

Standard: Viel Zeit scheinen wir nicht mehr zu haben. Laut Weltnaturs­chutzunion IUCN wird alle 15 Minuten ein Elefant gewildert. In fünf Jahren wird die Population um die Hälfte reduziert sein. Crosta: Einige lokale Population­en wurden für immer ausgelösch­t. Da gibt es keine Hoffnung mehr. Das betrifft etwa den Kongo, Kamerun oder Gabun. In Tansania, Mosambik, Kenia oder Sambia könnten sich die Bestände noch erholen. Es liegt nun an China. Im März wurden etwa wie versproche­n die ersten Fabriken für Schnitzere­ien und Einzelhand­el geschlosse­n. Das gibt Hoffnung.

ANDREA CROSTA hat Naturwisse­nschaften, Innovation­smanagemen­t und Psychologi­e studiert. Er ist Mitgründer und Geschäftsf­ührer der Elephant Action League. Ergänzend dazu initiierte er 2014 Wildleaks: Auf der Whistleblo­werPlattfo­rm können anonym Umweltverb­rechen gemeldet werden. In diesem Jahr ist er einer der Hauptredne­r der Erdgespräc­he in Wien. Erdgespräc­he, Halle E, Museumsqua­rtier, 1070 Wien, 27. April, 16.45 Uhr perdgespra­eche. net wildleaks.org elephantle­ague.org

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Eine Geste mit Symbolkraf­t: Im Vorjahr wurden in Kenia 15 Millionen Tonnen Elfenbein verbrannt. Das Feuer entzündete Kenias Präsident Uhuru Kenyatta.
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