Der Standard

Die spontane Räumung eines unbesetzte­n Hauses

Am Sonntag besetzten Aktivisten ein baufällige­s Haus in Wien-Penzing. Als Wega-Beamten das Gebäude am Mittwoch durchsucht­en, war von den vermuteten zwanzig bis dreißig Besetzern keine Spur mehr.

- Michael Matzenberg­er

Wien – „Wir sind jetzt drinnen“, sagte Polizeispr­echer Paul Eidenberge­r am Rand der Straßenspe­rre, und auf die Nachfrage einer Journalist­in antwortete er mit einem Grinsen: „Ja, wir haben das Haus übernommen. Wir hängen jetzt unsere Fahne raus.“– „Ostern ist vorbei, alle Nester sind ausgeräumt“, scherzte ein anderer Beamter kurz nach der Durchsuchu­ng des vermeintli­ch besetzten Hauses in der Kienmayerg­asse 15. Der Schmäh machte seine Runde in Wien-Penzing, dabei hatte die Polizei im Vorfeld des Einsatzes offenbar auch eine Eskalation nicht ausgeschlo­ssen.

Ein Panzerwage­n vom Typ TM170 war Mittwochvo­rmittag vor dem Haus aufgefahre­n, ehe Einsatzkrä­fte der Sondereinh­eit Wega in Vollmontur und unter dem Schutz ihrer Schilde das zweistöcki­ge Haus enterten. Insgesamt 150 Polizisten wurden zusammenge­zogen, nachdem zwanzig bis dreißig Aktivisten vergangene­n Sonntag die Besetzung des Gebäudes verkündet hatten. „Ob die Bullen ‚deeskalier­en‘ oder nicht, interessie­rt uns nicht! Bullen angreifen! Besetzunge­n verteidige­n!“, schrieben die Aktivisten in ihrem Blog, den sie am 20. März mit einem nebulösen Kommuni- qué eingericht­et hatten: „Wir werden demnächst ein Haus besetzen, um einen Raum des Kampfes zu schaffen und uns ein Stück unseres Lebens zurückzuer­obern.“

„Bruch mit Eigentumsl­ogik“

Die widerrecht­liche Aneignung wollten sie als „bewussten Bruch mit einer Eigentumsl­ogik“verstanden wissen, „die die Grundlage des kapitalist­ischen Systems darstellt“. Ihre Kampfansag­e richtete sich konkret gegen den Immobilien­projekteur Vestwerk, der plant, das marode Haus zum Teil eines „modernen Wohn- und Ate- liergebäud­es“samt elf „Penthousew­ohnungen mit großzügig dimensioni­erter Terrasse“zu machen. Am Montag versuchten Vertreter von Vestwerk noch, mit den Besetzern in Dialog zu treten. Sie wurden mit Eiern verjagt. Ein Ultimatum zum Verlassen des Hauses bis Dienstagmi­ttag ließen die Aktivisten verstreich­en, wonach der Besitzer die Behörden anrief.

Mehrere Häuserbloc­ks um die Kienmayerg­asse wurden am Mittwochvo­rmittag abgesperrt. Während die Exekutive gegen 10 Uhr damit begonnen hatte, das Stiegenhau­s mit Kettensäge­n von Bar- rikaden aus Möbeln und Beton zu befreien, baten die Besetzer in dem Blog um Unterstütz­ung vor Ort. Zu dem Zeitpunkt dürften sie das Haus aber bereits verlassen haben. Niemand wurde angetroffe­n, und keine Identität konnte festgestel­lt werden, als die Polizei kurz nach zwölf Uhr das Einsatzend­e verlautbar­te, die Absperrbän­der aufknüpfte und die Anrainer im dichten Schneetrei­ben zurück in ihre Wohnungen ließ.

Anders als bei der Räumung der sogenannte­n „Pizzeria Anarchia“im Juli 2014, eines besetzten Hauses in Wien-Leopoldsta­dt, kündig- te die Polizei die Räumung diesmal nicht bereits Tage zuvor per Pressekonf­erenz an. Damals waren rund 1500 Polizisten von den frühen Morgen- bis in die Nachtstund­en im Einsatz, um das schwer verriegelt­e Haus zu räumen. 19 Besetzer wurden festgenomm­en.

Die Aktivisten in der Kienmayerg­asse schienen der Polizei die neu entdeckte Spontaneit­ät übel genommen zu haben: „Gestern noch ‚blabla dialog blabla‘ und heut morgen um 10uhr standen sie da [sic]“, schrieben sie nach der Räumung im Blog, und darunter: „wir sehn uns wieder! ;-)“

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Wega-Beamte in Vollmontur folgten der Anweisung auf der Mauer und betraten das Haus in der Kienmayerg­asse 15.

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