Bayern verliert Neuer und die Contenance
Der FC Bayern hat in der Champions League gegen Titelverteidiger Real Madrid sein größtes Saisonziel verpasst. Als Hauptschuldiger wurde der ungarische Referee Viktor Kassai ausgemacht. Torhüter Manuel Neuer fällt bis Saisonende aus.
Madrid/München – Gegen Mitternacht, beim Bankett mit seinem geknickten Team und den Sponsorenvertretern, ereilte KarlHeinz Rummenigge trotz seiner Wut ein Anflug von Humor. „Scheint ein ungarisches Mikrofon zu sein“, beliebte der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern angesichts streikender Technik zu scherzen. Gelacht wurde gequält. Schließlich war der Schuldige am Scheitern im Viertelfinale der Champions League durch das 2:4 n. V. gegen Real gleich nach dem Abpfiff im Bernabeu-Stadion benannt worden. Viktor Kassai, der hochdekorierte Referee aus Tatabánya, 2011 Weltschiedsrichter, soll Real auf den Weg ins Halbfinale gebracht haben.
Tatsächlich hat der früh verwarnte Chilene Arturo Vidal in der Szene, die zu seiner zweiten Gelben und also zum Ausschluss führte (84.), wohl kein Foul begangen. Eher ausnahmsweise, denn davor hatte Kassai bei Aktionen Vidals mehrmals Gnade vor Recht ergehen lassen. Und Cristiano Ronaldo stand in der Nachspielzeit vor dem Treffer zum 2:2 zweifellos im Abseits. Ebenso vor dem entscheidenden 3:1, dem 100. Tor des Portugiesen aus 137 Champions-League-Partien.
Kassai und dessen Assistenten, die den 41-Jährigen mehrmals völlig im Stich gelassen hatten, sollen nach Spielschluss von mehreren Spielern der Bayern, darunter Vidal, bis in die Kabine verfolgt und gestellt worden sein. Nicht nur die Real nahestehende Marca berichtete von wüsten Beschimpfungen. Boss Rummenigge hatte ja vorgepöbelt: „Ich habe zum ersten Mal so etwas wie wahnsinnige Wut in mir, weil wir beschissen wurden, wir sind beschissen worden, im wahrsten Sinne des Wortes.“
Coach Carlo Ancelotti mühte sich nach Schuldzuweisungen in der ersten Emotion dagegen um etwas mehr Sachlichkeit als sein Chef: „Das war von den Schiedsrichtern eine Serie von Fehlern, die auf diesem Niveau nicht passieren dürfen.“
Ein Vorpfeifer
Der Italiener verlieh zudem seiner Hoffnung Ausdruck, dass mit der Einführung des Videobeweises Derartiges nicht mehr passieren möge. Der erste Unparteiische, der sich in einem offiziellen Spiel des Weltverbandes (Fifa) des Videobeweises bedienen konnte, war übrigens Kassai – im Halbfinale der Klub-WM 2016.
Für die Bayern wog das Scheitern am größten Saisonziel umso schwerer, als sie auch Manuel Neuer verloren. Der Teamtorhüter hatte Ancelottis Truppe wie schon beim 1:2 im Heimspiel mit starken Paraden im Rennen gehalten und das Tor auch noch als Verletzter gehütet. Der 31-Jährige erlitt bei Ronaldos drittem Treffer des Abends eine Fraktur am linken Fuß, der erst vor drei Wochen operiert worden war. Er wird über das Saisonende hinaus ausfallen. Ein herber Verlust für die Bayern, denen schon am Mittwoch das Pokalhalbfinale gegen Borussia Dortmund ins Haus steht.
Neuers Ersatzmann Sven Ulreich und auch Österreichs Teamkapitän David Alaba werden da einen besonders guten Tag brauchen. Denn die schon vor dem Spiel gegen Real angeschlagenen weltmeisterlichen Verteidiger Jérôme Boateng und Mats Hummels waren nach Kassais Abpfiff in Madrid nicht nur psychisch am Ende. (sid, red)