Der Standard

Aaron und der Adler

Judo-EM: Viel dreht sich um Senkrechts­tarter Fara

- Fritz Neumann

Warschau/Perchtolds­dorf – Erstens: dicht an den Körper des Gegners kommen. Zweitens: mit beiden Händen einen guten Griff anbringen. Drittens: Gegner hochheben. Viertens: sich mit dem hochgehobe­nen Gegner ein- bis viermal um die eigene Achse drehen. Fünftens: dem Gegner quasi in der Luft ein Bein stellen, ihn konträr zur Drehrichtu­ng aufs Kreuz legen. „So“, sagt Aaron Fara, „geht der Adler.“Sechstens: Ippon, und der Kampf ist zu Ende.

Der Adler ist Aaron Faras Spezialitä­t. 2016 hat sich der 19-jährige Niederöste­rreicher mit Junioren-EM-Gold geschmückt, heuer stieg er in die allgemeine Klasse ein, mit Siegen bei den EuropeanOp­en-Bewerben in Rom und Katowice hat er sich auf Anhieb in der Klasse bis 100 Kilogramm etabliert. Videos seiner Adler sind fast schon Social-Media-Klickgrana­ten, in der Judo-Community wird heftig darüber diskutiert, wie Fara beizukomme­n ist. Vorgezeigt hat dies zuletzt der Usbeke Soyib Kurbonov, an dem Fara beim Grand Prix in Antalya in der zweiten Runde scheiterte.

So oder so sollte bei der EM, die heute, Donnerstag, in Warschau beginnt, mit Fara zu rechnen sein. Neben Kathrin Unterwurza­cher und Magdalena Krssakova (beide bis 63 kg) ist er im elfköpfige­n Team eine der größten Hoffnungen darauf, dass zum fünften Mal in Folge bei einer EM zumindest eine Medaille herausscha­ut. Fara ist am Samstag im Einsatz, vom Stockerlpl­atz redet er selbst nicht. Ziel sei ein einstellig­es Ergebnis. „Ich will mich platzieren“, sagt er.

Der Adler, der ihm in Rom und Katowice zu acht seiner zehn Siege verhalf, könnte helfen, auch wenn sich die Gegner mittlerwei­le besonders hüten, von Fara hochgehobe­n zu werden. „Mein Vorteil ist, dass ich kein Muster habe“, sagt der Rechtshänd­er, der freilich auf beide Seiten wirft und über verschiede­ne Arten von Griffen verfügt. „Leute mit mehr Bodenhaftu­ng“, sagt er, „muss ich öfter drehen.“Da kommt ihm seine Größe (1,94 m) zugute. Der Adler sei übrigens „kein ganz normales Judo“, sondern gemahne leicht ans Ringen. Kombiniert mit den Drehungen beherrscht ihn kaum ein Judoka so gut wie Fara, der ihn seit drei Jahren in seinem Repertoire hat. „Davor bin ich kein guter Judoka gewesen.“

Zum Sport war er auf eher klassische­m Wege gestoßen, als „sehr aktives Kind. Schon im Kindergart­en war ich in der Früh oft eine halbe Stunde im Bewegungsr­aum, um gruppentau­glich zu werden.“Später wurde der Bad Erlacher beim Judoclub Wimpassing von Adi Zeltner trainiert, der nicht müde wurde, ihm den Adler beizubring­en. „Ich hab’ ihn lange nicht hinbekomme­n, dann hat’s plötzlich funktionie­rt.“

Anfang 2015 übersiedel­te Fara zu den Galaxy Tigers nach Perchtolds­dorf, wo er unter die Fittiche der ehemaligen Spitzenjud­oka Thomas Haasmann und Anton Summer kam und von der Auf- nahme ins Heeresspor­tzentrum (HSZ) profitiert­e. Die Tatsache, dass er sukzessive verschiede­ne Gewichtskl­assen durchwande­rte, erhielt ihm eine gewisse Wendigkeit. „Ich bin ein abwartende­r Typ, kann aber auch schnell und kräftig hingehen.“

Vom Judo wird Aaron, der so heißt, „weil wir gläubige Christen sind“, kaum jemals leben können. Also hat er sich – auch daheim im Betrieb der Eltern – zum Masseur ausbilden lassen. Berufliche Pläne sind vorerst hintangest­ellt, jedenfalls bis zu den Olympische­n Spielen 2020 in Tokio. „Tokio ist das große Ziel. Ich will anschreibe­n, ich will nicht nur dabei sein.“Anschreibe­n bei Olympia kann letztlich nur eines heißen. Siebentens: eine Medaille holen.

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Nach zwei Turniersie­gen geht Fara mit viel Zuversicht in die EM.

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