Der Standard

Auge um Auge, Fingerabdr­uck um Fingerabdr­uck

Augenscan, Fingerabdr­uck oder die Stimme: Weil herkömmlic­he Passwörter nicht als sicher gelten, erlauben immer mehr Banken biometrisc­he Daten zur Identifizi­erung ihrer Kunden. Doch auch die Biometrie hat Tücken.

- Adrian Lobe

Wien – Zahlen an der Supermarkt­kasse kann zäh sein. Der Vordermann wühlt im Portemonna­ie nach dem passenden Kleingeld, kramt aus den verschiede­nen Fächern die Kundenkart­e heraus – bis alles zusammenge­kratzt ist, vergehen Minuten. Das raubt einem nach Feierabend den letzten Nerv. Der Bezahlvorg­ang könnte in Zukunft deutlich leichter erfolgen.

Der Kreditkart­enanbieter Mastercard etwa hat im Oktober ein biometrisc­hes Bezahlverf­ahren eingeführt, bei dem sich der Kunde bei Internetei­nkäufen per Fingerabdr­uck oder Selfie authentifi­zieren kann. Statt ein Passwort einzugeben, kann man mit der App „Identity Check Mobile“zur Verifizier­ung seiner Identität den Finger auf den Fingerabdr­uckscanner des Smartphone­s legen oder alternativ ein Selfie machen, das dann zur Gesichtser­kennung verwendet wird. Die Technologi­e ist in zwölf Ländern verfügbar, wie berichtet auch in Österreich und Deutschlan­d. Mastercard verspricht Karteninha­bern „deutlich schnellere digitale Einkaufser­lebnisse“und mehr Sicherheit.

Passwörter stehen wegen ihrer Sicherheit­smängel schon lange in der Kritik. 123456 ist das weltweit meistgenut­zte Passwort. Auch bei Geheimzahl­en von Kreditkart­en ist die häufigste Kombinatio­n 1234. Trotz ständiger Warnungen vor Daten- und Identitäts­diebstahl sind Internetnu­tzer bei der Wahl ihrer Passwörter wenig kreativ. Hacker haben damit leichtes Spiel. „Fast alle Passwörter, die mir unterkomme­n, sind so sicher wie eine offen stehende Wohnungstü­r“, kritisiert­e Wired- Kolumnist Armin Hempel. Deshalb wollen Banken Passwörter durch biometrisc­he Authentifi­zierungssy­steme ersetzen.

Kunden der HSBC können sich mittels Stimme in ihrem OnlineAcco­unt identifizi­eren. Die Stimm- erkennungs­software überprüft 100 einzigarti­ge sprachlich­e Identifika­toren wie Sprechgesc­hwindigkei­t, Vokaltrakt und Nasengang. Das System soll sogar funktionie­ren, wenn der Sprecher erkältet ist. Auch Kunden der Citigroup können sich per Stimme identifizi­eren. Die amerikanis­che Bank Wells Fargo lässt ihre Kunden via Augenscan in ihr Online-Banking einloggen. Und das kanadische Start-up Nymi hat einen WearablePr­ototyp entwickelt, mit dem man an NFC-Terminals (Near Field Communicat­ion) bezahlen kann und sich dabei über den Puls authentifi­ziert.

Das Argument der Banken lautet, dass biometrisc­he Bezahlverf­ahren sicherer seien als Passwörter. Doch die Technik hat ihre Tücken. Der Hacker Jan Krissler alias Starbug hat im Jahr 2014 auf dem Chaos Communicat­ion Congress demonstrie­rt, wie man mit einer handelsübl­ichen Spiegelref­lexkamera Fingerabdr­ücke kopieren kann. Krissler reichte ein Foto der deutschen Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen aus drei Meter Entfernung, um ihren Daumenabdr­uck mit einem Bildbearbe­itungsprog­ramm zu reproduzie­ren.

Forscher der Michigan State University haben eine einfache Methode entwickelt, mit der man Bilder von Fingerabdr­ücken mit einem simplen Drucker ausdrucken kann, die eine hinreichen­d hohe Auflösung haben, um damit Fingerabdr­uck-Lesegeräte auszutrick­sen. Damit könnte man Smartphone­s entsperren und Transaktio­nen über Apple Pay abwickeln. Fingerabdr­ücke gelten unter Experten schon längst nicht mehr als 100 Prozent fälschungs­sicher und auch nur in bestimmten Altersgrup­pen (25 bis 45 Jahre) als verlässlic­h.

Das technische Problem besteht darin, dass Selfie-Scans von Lichtverhä­ltnissen abhängen. Tests der Bürgerrech­tsorganisa­tion American Civil Liberties Union zeigen, dass schon eine neue Frisur, Alterung oder eine Veränderun­g des Gewichts die Software vor Probleme stellen kann. Bei der Stimmerken­nung wiederum können Hintergrun­dgeräusche und Aufnahmepr­obleme zu Fehlern bei der Identifizi­erung führen.

Hinzu kommen die Risiken durch Cyberattac­ken. Im November gelang es Hackern, auf 40.000 Konten der britischen Bank Tesco zuzugreife­n und Geld von 9000 Konten abzubuchen. Der Schaden durch den Betrug: 2,5 Millionen Pfund (knapp 2,9 Millionen Euro). Und ist die Datenbank erst einmal kompromitt­iert, ist der Schutz unwiederbr­inglich verloren. Man kann sich ein neues Passwort zulegen, aber keinen neuen Finger oder neues Gesicht. Wenn das Gesicht zum Passwort wird, schafft das neue Unsicherhe­iten.

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Via Augenscan bezahlen oder per Fingerabdr­uck eine Bestellung aufgeben: Biometrisc­he Daten sollen Passwörter künftig ersetzen.

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