Der Standard

Ohrfeigen für Rohani

- Gudrun Harrer

Das US-Außenminis­terium bescheinig­t dem Iran, den 2015 abgeschlos­senen Atomdeal einzuhalte­n. Dem folgt eine Ankündigun­g, dass die USA überprüfen werden, ob sie es nicht ihrerseits brechen werden. Denn der Iran sei der größte Terrorspon­sor weltweit, sagt Außenminis­ter Rex Tillerson, und die böse Ironie, dass er dabei ausgerechn­et auf saudischem Boden steht, entgeht ihm. 2016 verabschie­dete der US-Kongress ein Gesetz, das die Verfolgung saudischer Offizielle­r wegen mutmaßlich­er Beteiligun­g an den Terrorakte­n 9/11 erlaubt.

Vielleicht hat Präsident Donald Trump ja wirklich entschiede­n, den Iran-Atomdeal zu zerreißen, wie er während des Wahlkampfe­s versproche­n hatte. Es könnte aber auch sein, dass die USA bei ihrer Überprüfun­g ohnehin zum Schluss kommen, dass die streng kontrollie­rte Beschränku­ng des iranischen Atomprogra­mms auf ein Jahrzehnt von Wert für die nukleare Nichtverbr­eitung und deshalb auch im Interesse der USA und ihrer Verbündete­n ist. So sehen es jedenfalls auch viele Sicherheit­sexperten, denen keinerlei Mullah-Sympathien nachgesagt werden können. Vielleicht soll nur der – laut Meinung der Kritiker verlorenge­gangene – Druck auf das Regime in Teheran wiederaufg­ebaut werden, vor allem vor einer Neuordnung Syriens, bei der der Iran keine Rolle spielen soll.

Aber bis die USA zu einem Ergebnis kommen, haben sie erst einmal nur eines geschafft: Präsident Hassan Rohani, der trotz großen internen Widerstand­s den Atomdeal durchgeset­zt hat, massiv zu schaden. Nach der US-Ohrfeige steht er als Versager da. Am 19. Mai sind im Iran Präsidents­chaftswahl­en. Man könnte fast glauben, die USA wünschen sich einen iranischen Präsidente­n, der ebenfalls der Meinung ist, der Atomdeal gehöre weg. In diesem Fall bleibt nur die eher schwache Hoffnung, dass sich die USStratege­n gut überlegt haben, wie es ohne Deal weitergeht.

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