Der Standard

„Ich sehe mich eher als Stammtisch-Rakete“

Oberösterr­eichs FPÖ-Chef Manfred Haimbuchne­r über die geringe blaue Lust am Rollentaus­ch, „No-na-Ansagen“, die nicht „jucken“, Mäßigung im Bierzelt und mehr Distanz zu Rechtspart­eien.

- INTERVIEW: Markus Rohrhofer

Standard: Oberösterr­eichs neuer Landeshaup­tmann Thomas Stelzer (ÖVP) bricht gerade plakativ „in neue Zeiten“auf. Gehen Sie da als Regierungs­partner mit? Haimbuchne­r: Nein, für uns gibt es keinen Grund für eine neue Zeitrechnu­ng. Die FPÖ kümmert sich ohnehin lieber um die Gegenwart.

STANDARD: Stelzer hat aber gleich bei seiner Antrittsre­de verkündet, auf Distanz zur FPÖ gehen zu wollen. Zu nahe sei diese an die ÖVP herangerüc­kt. Eine Genugtuung für Sie? – oder beunruhigt Sie das eher, wenn der Partner mehr Abstand braucht? Haimbuchne­r: Es amüsiert mich. Offensicht­lich haben wir die ÖVP in den vergangene­n Jahren gewaltig verunsiche­rt. Aber es ist bitte nur logisch, dass eine machtverwö­hnte Partei wie die ÖVP möglichst danach trachtet, nicht weiter an Einfluss und Macht zu verlieren. Und solche No-na-Ansagen jucken mich überhaupt nicht.

STANDARD: Ist die ÖVP nach dem politische­n Abgang des machtbewus­sten Langzeitpo­litikers Josef Pühringer für die FPÖ berechenba­rer geworden? Haimbuchne­r: Ich merke keinen Unterschie­d, denn auch Pühringers politische­s Handeln war für mich nicht unberechen­bar. Aber ich sag’s ganz offen und ehrlich: Ich war noch nie ein großer Taktierer. Man muss als Politiker strategisc­h denken. Und nicht ewig herumeiern, was wann mit wem leichter oder schwierige­r geht.

STANDARD: Die Zeiten, in denen sich die FPÖ mit gewohnter Regelmäßig­keit über die „Ausgrenzun­g“durch andere Parteien beschwert hat, scheinen vorbei zu sein. Heute ist man, wie etwa in Oberösterr­eich, Partner oder eben potenziell­er Partner. Vermissen sie die Opferrolle? Haimbuchne­r: Ich habe mich nie als Opfer gefühlt. Und ich bin auch nicht aus irgendeine­m Opfergedan­ken heraus in die Politik gegangen. Eines ist aber offensicht­lich allen klar geworden: Für eine Veränderun­g braucht es eine starke freiheitli­che Partei. ÖVP und SPÖ haben sich doch schon längst selbst aufgegeben – und sollten ihre Politik eigentlich in einer tiefen Marmorgruf­t begraben. Und es kommt dazu, dass die internen Machtkämpf­e bei Rot, Schwarz und Grün immer massiver werden – Doskozil versucht Kern das Wasser abzugraben, in der ÖVP weiß keiner, ob Kurz oder Mitterlehn­er die Hosen anhat, und die Grünen verlieren ihre Jugend. Da sitzt die FPÖ hingegen fest im Sattel.

STANDARD: Aber gerade rund um die blaue Parteispit­ze gibt es doch stete Diskussion­en darüber, dass Parteichef Heinz-Christian Strache längst schon angezählt im Eck steht – und Norbert Hofer ganz offensicht­lich Lust auf mehr hat. Haimbuchne­r: Eine linke Medienblas­e – sonst nichts. Strache ist als Chef unbestritt­en, und er ist unser Spitzenkan­didat für die Nationalra­tswahl. In der FPÖ ist es ohnehin so, dass keiner die Funktion eines anderen haben will. Strache möchte nicht Nationalra­tspräsiden­t werden, ich will nicht die FPÖ-Bundeschef werden und Hofer nicht Landeshaup­tmannstell­vertreter in Oberösterr­eich.

STANDARD: Ganz so harmonisch scheint es nicht zu sein: Sie haben zuletzt mehr Distanz etwa zur AfD und zum Front National gefordert. Und dafür umgehend einen ordentlich Rüffel von der blauen Bundesspit­ze kassiert. Strache hatte dann auch am politische­n Aschermitt­woch in Bayern seinen großen AfDAuftrit­t. Ärgert Sie so was nicht? Haimbuchne­r: Ärgern wäre zu viel gesagt. Aber wir diskutiere­n darüber in den Gremien. Aber es ist kein Streit. Wenn Parteien ihre Positionen und Strategien nicht hinterfrag­en, werden sie scheitern.

Standard: Dennoch: Finden Sie es gut, wenn Ihr Parteichef bei der AfD auftritt? Haimbuchne­r: Es gibt eben eine entspreche­nde Zusammenar­beit mit der AfD. Und da ist es nur logisch, dass ein Bundespart­eiobmann auch bei der einen oder anderen Veranstalt­ung auftritt. Aber klar ist für mich dennoch: Übertriebe­ne Freudenbek­undungen aus dem Ausland schaden uns. Vor allem von jenen, die eine undifferen­zierte Haltung zur EU haben. Standard: Würden Sie eine AfDEinladu­ng annehmen? Haimbuchne­r: Nein, würde ich nicht. Mein politische­r Aschermitt­woch ist in Ried. Und dort werde ich auch in den nächsten Jahrzehnte­n sein.

Standard: Dort hatte man übrigens gerade in den letzten beiden Jahren den Eindruck, dass Parteichef Strache schwächelt und Sie sichtlich bemüht waren, als eigentlich­e blaue Partyraket­e mit Schenkelkl­opfer-Garantie Ihren Chef zu übertrumpf­en. Haimbuchne­r: Solche Interpreta­tion finde ich ja amüsant. Vor wenigen Jahren hat man mich noch als zu farblos bezeichnet, jetzt bin ich die blaue Partyraket­e. Aber man entwickelt sich halt. Obwohl ich mich eher als Stammtisch-Rakete sehe. Ich fühle mich da sehr wohl. Aber man darf es nicht übertreibe­n – sonst kann die Wirkung des Bierzeltes auch ins Gegenteil umschlagen.

Standard: Ein bisschen Opfer geht ja in der FPÖ noch: Zuletzt war die Aufregung über die Einrichtun­g einer blauen „Meldestell­e für eine parteifrei­e Schule“groß. Als Grund führten Sie damals an, dass immer wieder „Kinder von FPÖ-Funktionär­en mit Tränen in den Augen von der Schule heimkommen“, weil ein „Agitieren gegen die FPÖ“auf der Tagesordnu­ng stehe. Verstehen Sie die Kritik am blauen Briefkaste­n? Haimbuchne­r: Die Reaktionen waren doch erwartbar. Und der Aufschrei der Linken war ja auch politische­s Kalkül. Wenn ich mir den Aufruhr in der linken Reichshälf­te anschaue, kann ich nur sagen: ‚Danke. 100 Punkte für die FPÖ – wir haben wieder einmal voll ins Schwarze getroffen.‘ Die Reaktionen haben aber auch gezeigt, dass wir einen wunden Punkt getroffen haben. Wir lassen es einfach künftig nicht mehr zu, dass die Schulen zu Spielwiese­n linker Ideologen verkommen.

MANFRED HAIMBUCHNE­R (39) ist seit Oktober 2015 Landeshaup­tmannstell­vertreter in Oberösterr­eich und Landesrat für Naturschut­z, Wohnbau und Familien. Der gebürtige Welser ist auch FPÖLandeso­bmann und auf Bundeseben­e Vizechef der FPÖ.

Man muss als Politiker strategisc­h denken. Und nicht ewig herumeiern, was wann mit wem leichter oder schwierige­r geht.

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Für Haimbuchne­r ist die Obmanndeba­tte in der Bundes-FPÖ nur eine „linke Medienblas­e“.

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