Der Standard

„In Wirklichke­it bin ich eine Chuzpe“

Im „Tatort“am Sonntag spielt Hubert Kramar wieder den grundsolid­en Polizeiche­f. Warum das ein Schmäh ist, was er gegen den Faschisten in sich tut und wo er eine Ausnahme für Norbert Hofer machen würde.

- Doris Priesching INTERVIEW:

STANDARD: Vor wenigen Wochen vergab die Wiener Polizei den Preis für den besten Fernsehpol­izisten – an „Trautmann“, der seit neun Jahren nicht mehr ermittelt. Ist das ein stiller Protest gegen die österreich­ischen Fernsehkom­missare? Kramar: Trautmann war ihrem Herz und ihrem Bauch am nächsten, wie Schimanski. Es geht schon sehr darum, dass das ein „leiwander Typ“ist.

STANDARD: Dann hätte es auch Ihre Figur, der Polizeiche­f Rauter, sein können, der ist ja auch „leiwand“. Kramar: Ich fange ein bisschen den Moritz Eisner auf, indem ich ihn bestrafe und der Ungustl zu ihm sein kann. In Wirklichke­it bin ich eine Chuzpe.

STANDARD: Inwiefern? Kramar: Indem man das Enfant terrible, das ich immer war, zum obersten Ordnungshü­ter macht. Das Ganze ist ein Schmäh.

STANDARD: Glauben Sie, dass alle den Schmäh verstehen? Kramar: Ich weiß es, Harald Krassnitze­r weiß es. Wir hatten immer einen Spaß damit, uns gegenseiti­g als „linkslinke Versager“runterzuma­chen. Krassnitze­r mochte es sehr, mir in einer Folge eine Presse hinzulegen.

STANDARD: Adele Neuhauser sagt von sich, dass sie der „Tatort“-Dreh mitnimmt, weil die Fälle so erschütter­nd sind. Kennen Sie das von sich auch? Kramar: Adele ist interessan­t, sie identifizi­ert sich mit der Rolle und ist gleichzeit­ig eine so gute Schauspiel­erin, dass sie Distanz halten kann. Ich freue mich, wenn ich ein gutes Drehbuch lese oder wenn mit guten Regisseure­n zusammenar­beiten darf.

STANDARD: Und wenn es nicht so gut passt – tauchen Sie durch? Kramar: Die nicht so guten Regisseure tun mir leid, weil sie es ja schwierig haben.

STANDARD: Sie ärgern sich nicht? Kramar: Nein, für mich ist es ein Geschenk, man wird anständig behandelt, alle grüßen freundlich. Ich bin zwar für alle der „Hubsi“– der „Hubsi“werde ich mit 100 noch sein ...

STANDARD: Wollen Sie nicht mehr der „Hubsi“sein? Kramar: Bei manchen Menschen finde ich es ein bissl – na ja. Umgekehrt ist es eine Ehre, dass sie mich als ihresgleic­hen behandeln, selbst wenn sie 30 sind und ich bin älter. Man soll die Dinge aber gar nicht so werten, das ist eine meiner Hauptaufga­ben. In der Politik ist das klar, da muss man seine Meinung sagen. Zum Beispiel beim Außenminis­ter über den „NGO-Wahnsinn“. Das ist sein eigener Wahnsinn.

STANDARD: Zeit für eine Aktion? Kramar: Ich bin seit 50 Jahren im Widerstand, und ist die Welt viel besser geworden? Nein. Trotzdem muss man Widerstand leisten – für sich selbst, und sein Leben lang, um nicht einzuschla­fen.

STANDARD: Haben Sie sich ganz verabschie­det? Kramar: Wenn mir etwas einfällt, mache ich es schon. Wenn Nor- bert Hofer angelobt worden wäre, hätte ich schon etwas gehabt.

STANDARD: Sagen Sie’s? Kramar: Nein, weil das rutscht in so eine Klischee-Richtung, und wer weiß, ob ich es nicht noch brauche. Weil mich hat ja die Staatspoli­zei lange überwacht.

STANDARD: Woher wissen Sie das? Kramar: Das war für eine Aktion am Ulrichsber­g, für die uns Hans Peter Haselstein­er einen Hubschraub­er gegeben hätte. Wir wären mit Walkürenri­tt von Wagner dort hingefloge­n, mich hätten sie am Seil hinunter und als Hitler über den Berg schweben lassen. Um das vorzuberei­ten, haben wir uns heimlich getroffen, Pseudonyme für Treffpunkt­e vereinbart. Die Polizei wusste alles und sperrte an dem Tag den Luftraum.

STANDARD: Gibt es Aktionen, die Sie aus heutiger Sicht bereuen? Kramar: Nein. Wenn die Leute von mir sagen, du hast Mut, dann sage ich: Ich habe keinen Mut, es entspricht mir. Ich bin ein geistiger Triebtäter, wie alle Künstler.

STANDARD: Wann hatten Sie mit dem größten Volkszorn zu tun? Kramar: Die Geschichte mit F., weil das ans Eingemacht­e ging. Das Pornografi­sche, wie die Denkweisen der Männer im Patriarcha­t den Frauen gegenüber geprägt waren, spielt eine viel stärkere Rolle im täglichen Leben. Der letzte Widerspruc­h bei Marx ist der zwischen Mann und Frau, und der wird gerade abgehandel­t bei diesem anachronis­tisch unaufgeklä­rten Islam im Konflikt mit aufgeklärt­en Denkverhäl­tnissen. Es geht nicht um Geld und Waffengesc­häfte, sondern um die Macht über die Frau.

STANDARD: Und ist durch nichts zu ändern? Kramar: Es gibt wenige Menschen, die am Faschisten in sich arbeiten, die selbst verschulde­te Unmündigke­it begreifen.

STANDARD: Was kann man tun? Kramar: Bei Gurdjieff gibt es die Idee von den fünf Ebenen: Körper, Emotion, Psyche, Vernunft und Sexualität. Daran muss ich arbeiten, trainieren, üben und mich fragen, ob mir das guttut, was ich tue. Jetzt ist meine Hündin meine Lehrerin, weil sie so liebt, wie ich nie werde lieben können. Das Zweite ist Dankbarkei­t, denn da verlassen Sie den Egobereich. Ich bin dankbar, wenn Sie mich fragen. Es geht um das Geschenk, dass ich das tun darf und dabei am Leben bleiben kann.

HUBERT KRAMAR (69) ging als Adolf Hitler verkleidet zum Opernball, inszeniert­e die „Keller-Soap“. Polizeiche­f Ernst Rauter im „Tatort“ist er seit 2005.

 ??  ?? Hubert Kramar hat beim „Tatort“Spaß mit Harald Krassnitze­r als „linkslinke Versager“.
Hubert Kramar hat beim „Tatort“Spaß mit Harald Krassnitze­r als „linkslinke Versager“.

Newspapers in German

Newspapers from Austria