Alltag in seiner bekömmlichsten Form
Die Kunst des 19. Jahrhunderts birgt ein breites Repertoire, wie das am 27. April im Dorotheum zur Verteilung kommende Angebot belegt. Die alltägliche Szenen schildernde Genremalerei gilt als eine der beliebtesten Gattungen.
Wien – Neben idyllisch bis dramatisch inszenierten Landschaftsstücken oder die Architektur pointierenden Veduten gehört die Genremalerei zu den beliebtesten Gattungen des 19. Jahrhunderts. Sie dokumentierte triviale, komische oder rührende Szenen des Alltags. Eine leicht bekömmliche Motivwelt, deren Banalität man sozialkritisch einzusetzen verstand.
Der dahinter verborgene pädagogische Zweck erschloss sich oft erst auf den zweiten Blick. Manchmal gab es aber nichts zu deuteln, und es blieb bei simplen Momentaufnahmen. Im Auktionsangebot des Dorotheums suchen derzeit Repräsentanten beider Fraktionen neue Besitzer. Werke renommierter und weniger geläufiger Künstler halten sich dabei die Waage.
Zu erster Kategorie gehört etwa Carl von Marr, der an der Akademie in München studierte. Sein Mädchen im lila Kleid (1893) zeigt eine vielleicht vierjährige Protagonistin, die ein Wollknäuel umschlungen hält, während das zugehörige Strickzeug auf dem Boden liegt. Ertappt vom Betrachter, dem sie mit trotzig-bekümmertem Blick pariert.
Carl von Bergen, ebenso Münchener Absolvent, hatte sich überhaupt für Kinder als Hauptdarsteller entschieden. Im aktuell offerierten Bild Der Scherenschnitt (1905) begeistert eine ältere Schwester ihre jüngere mit namensgebender Bastelei aus Zeitungspapier.
1848 schuf die gerade mal 23-jährige Rosalia Amon im Bild Geschwister am Bach eine Szenerie, die gleichfalls wie eine Kindheitserinnerung anmutet: Die Älteren fischen hinter dem Haus der Familie und haben ein quengelndes Brüderchen dabei, dem es an der beim Angeln gebotenen Geduld mangelt. Dorotheum-Experten vermuten, dass sich die Waldmüller-Schülerin für dieses Sujet von einem Werk Friedrich von Amerlings inspirieren ließ. Er malte 1830 einen Fischerjungen, der frappante Ähnlichkeiten zu Amons Darsteller aufweist.
Verbleib unbekannt
Als Höhepunkt der Genregattung gilt ein Gemälde, das bis vor kurzem als verschollen galt: Josef Danhausers Das Familienkonzert von 1841. Noch 2011, als die vom Auktionshaus finanziell unterstützte Monografie samt Werkverzeichnis in der Belvedere-Reihe publiziert wurde, war das Sujet nur über eine Lithografie dokumentiert. Nun fand sich das auf Holz gemalte Werk, das ein Konzert in einem Salon schildert, in einer Schweizer Privatsammlung.
Der zweite Bildtitel Die Brautschau erschließt sich über einen leger im Hintergrund sitzenden Mann, der die Sängerin mit verklärtem Blick bewundert. Hinter ihm thront Amor auf einem Postament, der mit gespanntem Bogen auf die Sängerin zielt. Ob Danhauser hier eine wahre Begebenheit verewigte, muss eine Mutmaßung bleiben. Gesichert ist indes die Identität des auf einem Fauteuil sitzenden Paares, bei dem es sich um den Astronomen Karl Ludwig Edler von Littrow und seine Gattin Auguste handelt. Und gesichert ist weiters, dass die Szene in einem anderen Gemälde eine Fortsetzung fand, das die Sängerin und ihren Verehrer in einem Maleratelier zeigt. Es titelt Die Heirat durch Konvenienz ,und sein Verbleib ist seit gut 100 Jahren unbekannt.