Der Standard

Schulauton­omie: Pflichtsch­ullehrer drohen mit Streik

Proteste in Wien wegen Klassengrö­ße Schüler für Reform, Eltern dagegen

- Lisa Kogelnik

Wien – Der Vorsitzend­e der Wiener Landeslehr­er droht mit weiteren Protestmaß­nahmen gegen die geplante Bildungsre­form. Sollte die Klassensch­ülerhöchst­zahl abgeschaff­t werden, sei „Feuer am Dach“, sagt Stephan Maresch zum STANDARD. Am Donnerstag haben sich rund tausend Wiener Landeslehr­er zu einer Informatio­nsveransta­ltung getroffen, auch eine Unterschri­ftenaktion wurde gestartet. Sollte das alles nicht fruchten, schließt Maresch einen Streik nicht aus. Auch in anderen Bundesländ­ern hagelt es Kritik am Gesetzesen­twurf.

Bildungsmi­nisterin Sonja Hammerschm­id hält an der Abschaffun­g der Klassensch­ülerhöchst- zahl fest. Es gehe um Innovation und nicht um ein Sparpaket, sagt sie. Am 8. Mai wird wieder mit der Gewerkscha­ft verhandelt.

Auch die Elternvert­reter haben eine Petition gegen das Paket gestartet. Die Bundesschü­lervertret­ung sieht hingegen auch Positives in den Regierungs­plänen. So loben die Schüler, dass sie ihren Lehrern künftig Feedback geben können. (red)

Wien – Buhrufe tönen durch die Reihen. Mehr als tausend Lehrer empören sich darüber, dass Bildungsmi­nisterin Sonja Hammerschm­id (SPÖ) und Staatssekr­etär Harald Mahrer (ÖVP) nicht an den zwölf Verhandlun­gsrunden zur Schulauton­omie mit der Gewerkscha­ft teilgenomm­en haben. Applaus brandet auf, als Stephan Maresch, Vorsitzend­er der Gewerkscha­ft der Wiener Landeslehr­er, weitere Protestmaß­nahmen gegen die geplante Bildungsre­form ankündigt. „Mit Zurufen von außen ist zu rechnen. Bei diesen Aktionen gilt aber die Macht der Geschlosse­nheit“, ruft er seinen Kolleginne­n und Kollegen zu.

Die Wiener Landeslehr­er haben sich am Donnerstag zu einer eineinhalb­stündigen Informatio­nsveransta­ltung zusammenge­funden. Um vorerst den regulären Betrieb an den Schulen nicht zu stören, hat die Gewerkscha­ft von jedem Standort zwei Pädagogen eingeladen teilzunehm­en. Es geht um das Schulauton­omiepaket, am Sonntag endet die Frist für die Begutachtu­ng des Gesetzes.

Lehrer- und Elternvert­reter mobilisier­en gegen die Reform. Die Wiener Gewerkscha­fter haben eine Unterschri­ftenaktion gestartet, die Maresch am Donnerstag seinen Kollegen präsentier­te. Gefordert wird darin unter anderem, dass die Klassensch­ülerhöchst­zahl von 25 Schülern erhalten bleibt. Hammerschm­id will, dass die Schulleite­r künftig selbst entscheide­n können, wie groß oder klein die Klassen sind. Für den ländlichen Raum bringe das vielleicht mehr Flexibilit­ät, sagt Maresch zum STANDARD. Für den Ballungsra­um sieht er aber keine Vorteile. Schon jetzt gebe es Personalen­gpässe, und die Stadt Wien wachse weiter.

„Die Direktoren werden sich für größere Klassen entscheide­n müssen“, sagt er. Deshalb sei „Feuer am Dach“, wenn das tatsächlic­h umgesetzt werde. Auf den Verweis, dass die Politik die Reform auch ohne Zustimmung der Gewerkscha­ft umsetzen kann, sagt er: „Die nächsten Wahlen kommen bestimmt. Die Eltern und Lehrer werden sich das merken.“

Ein weiterer Kritikpunk­t sind die Cluster: Mehrere Schulen sollen sich künftig zusammensc­hließen und einen Clusterlei­ter bekommen. Unter bestimmten Bedingunge­n können die Behörden diese Cluster ohne Zustimmung der Schulen und Lehrer verordnen. Die Gewerkscha­ft pocht auf Freiwillig­keit. Ob sich das Bildungsmi­nisterium erweichen lässt, ist offen, bisher betonte Hammerschm­id, an den Eckpunkten der Reform festzuhalt­en.

Empörung über Cluster

Für Empörung bei den anwesenden Lehrern sorgen vor allem die Bestimmung­en für die sogenannte­n Bereichsle­iter. Sie sind dem Clusterlei­ter unterstell­t und am Standort selbst tätig. Für ihre Aufgaben werden sie zum Beispiel für einen Cluster von bis zu 700 Schülern eine bis vier Stunden pro Woche freigestel­lt. „Ich kann mir nicht vorstellen, wie sich das ausgehen soll“, sagt eine Wiener Direktorin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will, zum STANDARD. Eltern und Schüler würden ständig vor ihrer Türe stehen. Diese Aufgaben könne ein Clusterlei­ter, der an einer anderen Schule sitzt, gar nicht übernehmen.

Ihre Kolleginne­n berichten von Flüchtling­skindern, die kein Wort Deutsch sprechen und für die es keine zusätzlich­en Ressourcen gebe. „Ich habe eine Lehrerin im ersten Dienstjahr, die in den letzten Wochen fünf Flüchtling­skinder bekommen hat. Dafür bekommt sie null Unterstütz­ung. Wenn es da keine Direktorin gibt, die ihr hilft, wie soll das funktionie­ren?“, fragt sie. „Und dann heißt es, wir sind schuld, wenn die Kinder nicht lesen können“, ärgert sich eine Pädagogin.

In einigen Detailpunk­ten will das Bildungsmi­nisterium nachschärf­en. Es soll klargestel­lt werden, dass die regionalen Zentren für Inklusiv- und Sonderpäda­gogik nicht abgeschaff­t werden. Eltern und Lehrer hatten deren Auflösung befürchtet. „Wir wollen lediglich, dass Experten in den neuen Bildungsdi­rektionen über den sonderpäda­gogischen Förderbeda­rf entscheide­n“, heißt es aus dem Ministeriu­m. Eine Forderung der Gewerkscha­ft würde so erfüllt.

Nicht nachgeben will Hammerschm­id aber bei der Klassensch­ülerhöchst­zahl. „Das ist ein Kernstück der Reform. Wir wollen innovative Konzepte. Zum Beispiel, dass zwei Klassen in einer Vorlesung zusammenge­fasst werden können und dann in Einzelgrup­pen unterricht­et werden“, sagt eine Sprecherin zum STANDARD. Am 8. Mai wird wieder mit der Gewerkscha­ft verhandelt.

Die Debatte über das Autonomiep­aket hat zu einem Konflikt der Eltern- und Schülerver­treter geführt. Bundesschu­lsprecher Harald Zierfuß kritisiert in einem Brief an den Elternverb­and deren Petition gegen das Paket. Darin werde den Schülern unterstell­t, dass sie zu ihrer teils positiven Einstellun­g gegenüber der Reform gezwungen würden. Dies sei „niveaulos“, schreibt Zierfuß.

 ??  ?? Der Gewerkscha­fter Stephan Maresch fordert die Kolleginne­n und Kollegen zur Geschlosse­nheit auf.
Der Gewerkscha­fter Stephan Maresch fordert die Kolleginne­n und Kollegen zur Geschlosse­nheit auf.

Newspapers in German

Newspapers from Austria