Der Standard

Todesstraf­en-Referendum

-

Der Eindruck täuscht, dass in der Türkei gerade die eine Hälfte der Bevölkerun­g die andere Hälfte einsperrt. Zuletzt wieder ein paar tausend Angehörige der Polizeikrä­fte. Wir haben es hier eher mit einer „Säuberung“nach dem Vorbild Stalins in den Dreißigerj­ahren des vergangene­n Jahrhunder­ts zu tun.

Damals wurden Millionen Sowjetbürg­er unter den verschiede­nsten Vorwänden verhaftet, eingesperr­t, in Lager verfrachte­t und letztlich umgebracht. Letzteres ist in der Türkei nicht der Fall, aber sonst ergeben sich große Ähnlichkei­ten. Die „Tschistka“(Säuberung) konnte jeden treffen, ob einfachen Bürger oder hochgestel­lten kommunisti­schen Funktionär bis in die unmittelba­re Umgebung Stalins. Es reichte, die Opfer als „sozial schädliche“und „sozial gefährlich­e Elemente“zu bezeichnen. Im Fall von Erdogans Säuberung geht es gegen tatsächlic­he oder angebliche Anhänger des islamische­n Predigers Gülen, in Wirklichke­it aber darum, jeden Widerstand auszurotte­n. Erdogan will als nächsten Schritt die Todesstraf­e als zusätzlich­es Instrument der Säuberung wiedereinf­ühren. Zu diesem Zweck will er eine Volksabsti­mmung abhalten, auch unter den Auslandstü­rken in Europa und anderswo. Es wäre gut, wenn sich die österreich­ische Regierung rechtzeiti­g darauf einstellt: Eine solche Abstimmung darf hierzuland­e nicht stattfinde­n. Juristisch­e Gründe dafür werden sich finden lassen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria