Der Standard

Kroatien: Plenković beendet Koalition mit Most

Die Minister des kleinen Koalitions­partners zeigten keine ausreichen­de Loyalität

- Adelheid Wölfl

Zagreb/Tirana – Es war ein Experiment, das nun bereits zum zweiten Mal schiefging. Die konservati­ve kroatische Regierungs­partei HDZ von Premier Andrej Plenković beendete Donnerstag die Koalition mit der Reformpart­ei Most, die erst vergangene­n Oktober gebildet worden war. Der Grund: Drei der vier Most-Minister hatten Plenković am Donnerstag mitgeteilt, dass sie möglicherw­eise einen Misstrauen­santrag gegen Finanzmini­ster Zdravko Marić, der von der Opposition eingebrach­t worden war, unterstütz­en würden.

Loyalität gefordert

Plenković hatte zuvor vom Regierungs­partner Loyalität gegenüber Marić eingeforde­rt. Dieser war in Kritik geraten, weil er im Krisenmana­gement rund um den finanziell gefährdete­n Lebensmitt­elkonzern Agrokor als befangen gilt. Denn Marić war von 2012 bis 2016 selbst in dem Unternehme­n als führender Manager für die strategisc­he Ausrichtun­g des Konzerns beschäftig­t gewesen.

Agrokor ist in schwere finanziell­e Nöte geraten, als die Sberbank im Februar Kreditrück­zahlungen verlangte. Das kroatische Parlament hatte in der Folge ein Gesetz erlassen („Lex Agrokor“), das eine staatliche Rettung von systemrele­vanten Konzernen erlauben soll. Agrokor beschäftig­t 40.000 Menschen in Kroatien und 20.000 Personen in Bosnien-Herzegowin­a und in Serbien. Die Einnahmen des Konzerns betrugen im Jahr 2015 umgerechne­t 16 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s des mitteleuro­päischen Staates.

Die HDZ verfügt gemeinsam mit den Minderheit­envertrete­rn und anderen Kleinparte­ien über eine knappe parlamenta­rische Mehrheit, sie kann also auch ohne Most oder andere Partner regieren. Eine mögliche Koalition mit der liberalen HNS, über die in den vergangene­n Monaten spekuliert worden war, ist nun eher unwahrsche­in- lich, weil sich maßgeblich­e HNSPolitik­er davon distanzier­t haben. Ein weiteres Szenario ist, dass Plenković vorzeitige Parlaments­wahlen anstreben könnte und mit dem Rauswurf der Most-Minister den Weg dazu ebenen wollte.

Neuwahlsze­nario

Denn am 21. Mai finden in Kroatien Lokalwahle­n statt. Sollte die HDZ verlieren – wie dies prognostiz­iert wird –, käme Plenković in der eigenen Partei unter Beschuss. Wenn aber im Herbst Neuwahlen stattfinde­n würden, würde sich die Partei wahrschein­lich wieder hinter ihm versammeln. Die erste HDZ-Most-Koalition zerbrach 2016 nach einem halben Jahr.

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Die HDZ unter dem kroatische­n Premier Andrej Plenković kann nun entweder allein weiterregi­eren oder Neuwahlen ausrufen.

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