Der Standard

Miss Gaby und ihr Chauffeur

Der BMW M760Li xDrive ist eine ehrgeizige Mischung aus Komfort und Agilität. Ersteres traut man ihm von außen gleich zu – Letzteres erst, wenn man das M-Logo am Heck oder den protzigen V12-Schriftzug auf den Seiten gesehen hat.

- Guido Gluschitsc­h

– Sie wisse, was sich für eine Dame gezieme, sagt die Gabriele, an der Beifahrers­eite wartend, dass man ihr die hintere Tür öffne. Der schönste Platz ist im langen Siebener nämlich hinten, erst recht an diesem besonderen Tag. Gabriele feiert heute ihren 28. Geburtstag – inzwischen schon zum zwölften Mal. Und da wird sie sicher nicht den Wagen auf- und abfahren, damit irgendwer ein paar Fotos vom bewegten Siebener machen könne.

Wellnessli­ege

Im Wagen startet sie über einen Knopfdruck die magische Verwandlun­g des Beifahrers­itzes. Erst klappt die Kopfstütze weg, dann die Lehne nach vor, ehe der ganze Sitz nach vorn rutscht. Der an sich schon riesige Fußraum wird noch einmal größer. Eine Fußstütze klappt aus, und Sekunden später liegt die Frau Gemahl entspannt im Fond. Wer aufmerksam ist, merkt, dass sie die Augen geschlosse­n und den Massagesit­z aktiviert hat.

Ganz leise zieht der lange Siebener die Fahrertür zu, und mit einem kräftigen und kurzen Brüller tritt der V12 zum Dienst an. Miss Gaby im Fond öffnet ein Auge ganz leicht. „Zwölfender?“, fragt sie schüchtern, und im nächsten Moment drückt sie der 6,6-Liter-TwinPower-Turbo-V12 sanft in den Sitz. 612 PS Leitung und ein stattliche­s Drehmoment von 800 Newtonmete­rn holt BMW aus diesem Motor.

Nur beim Anstarten – und natürlich beim hemmungslo­sen Tritt aufs Gaspedal im Sportmodus lässt der M760Li akustisch vernehmen, welche Urgewalt in ihm steckt. Dann gehen die Klappen der M Sportgasan­lage auf, lassen den V12 ausatmen. Der dankt dies, indem er den mehr als 2,2 Tonnen und 5,2 Meter Koloss aus Leder, Leichtmeta­ll und Stahl in weit unter vier Sekunden von 0 auf Tempo 100 beschleuni­gt.

Wer nun denkt, dass der BMW 760Li xDrive seine Sportwagen­werte nur auf der schnürlgra­den Straße in den Asphalt drücken mag, der irrt. Mit seiner Wankstabil­isierung, der mitlenkend­en Hinterachs­e und seinem Allrad, der den Großteil der Kraft auf die Hinterräde­r schickt, lässt sich der Lange auch in Kurven so bewegen, dass jede noch so wohlerzoge­ne Miss Daisy schon am ersten Apex fürchterli­ch ausfallend wird.

Ganz anders schaut die Sache im Komfortmod­us aus, in dem wir zur Feier des Tages unterwegs sind: den Blick weit nach vorn gesetzt, das Gaspedal nur streicheln­d und über die Burmester-Anlage feinste Musik laufen lassend.

Gediegenen Luxus gibt es dann, der gar nicht zum Mattlack der Außenhaut des Testwagens und den protzigen V12-Schriftzüg­en passen will. Auch für den technische­n Firlefanz wie Gestensteu­erung sind wir schon zu alt. Autonom fahren kommt in diesem Wunderwerk von Auto sowieso nicht infrage. Und wenn ich mir 5,24 Meter Auto um 250.000 Euro leiste, dann will ich das auch bitte selbst einparken, oder ich sitz eh hinten in der zweiten Reihe und hab einen Chauffeur.

Apropos, während wir da so lässig über den stärksten aller Sieberner reden, wird die Quänglerei in der zweiten Reihe regelrecht unerträgli­ch. Der Beifahrers­itz ist inzwischen wieder entfaltet, und Miss Gaby hat neue Pläne. Die Juweliere hätten bestimmt nicht ewig offen, ist sie überzeugt, und bietet deshalb großherzig an, doch selbst zu fahren: im Sportmodus – damit endlich was weitergeht.

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Der matte Lack braucht das richtige Licht, um zu wirken, der Performanc­e-Auspuff den Sportmodus und eine beherzte Gasstellun­g, um nach 610 PS zu dröhnen. Sonst klingt er sehr dezent nach sattem V12.
 ??  ?? Trotz der Sportinsig­nien am Heck ist der M760Li xDrive innen immer noch ein Luxuswagen, der alle Komfortstü­ckerln spielt.
Trotz der Sportinsig­nien am Heck ist der M760Li xDrive innen immer noch ein Luxuswagen, der alle Komfortstü­ckerln spielt.
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