Der Standard

Wenn der Postmann nicht mehr klingelt

Briefe austragen war einmal. Die Post nimmt Unternehme­n immer mehr Aufgaben ab. Zum Hausmeiste­r werden will sie zwar nicht, aber den einen oder anderen Euro in dessen angestammt­em Revier erwirtscha­ften.

- Regina Bruckner

Wien – Alles begann mit Kaffee. Die Gründungsi­dee des Hamburger Kaffeeröst­ers Tchibo war es, diesen per Post zu verschicke­n. Fast siebzig Jahre später ist Tchibo zu einem der größten internatio­nalen Konsumgüte­r- und Einzelhand­elsriesen herangewac­hsen. Neben schwarzen Bohnen finden sich mittlerwei­le Socken, Sportgerät­e und zeitweise Einfamilie­nhäuser, Ultraleich­tflugzeuge oder Inseln im Sortiment. Per Post lassen sich Letztgenan­nte nicht verschicke­n. Für die Dienste der gelben Post hat man dennoch Verwendung. Neuerdings durchaus auch an ungewöhnli­chen Orten.

Da kommt es vor, dass ein PostMitarb­eiter in der Unternehme­nszentrale von der zum TchiboReic­h gehörigen Österreich-Tochter Eduscho in Wien-Simmering auf der Toilette anzutreffe­n ist. Und das nicht nur, um seine eigenen Geschäfte zu verrichten, sondern um seinem Arbeitgebe­r zu mehr Geschäft zu verhelfen.

Der Hintergrun­d: Die Post streckt auf der Suche nach neuen Ertragsque­llen ihre Fühler auch immer weiter in Sachen Liegenscha­ftsverwalt­ung, Neudeutsch genannt Facility-Management (FM), aus. Ganz neues Terrain betritt man damit nicht. Mit Poststelle­nlogistik beschäftig­t sich die Post seit geraumer Zeit. Seit zehn Jahren sind Postmitarb­eiter vor Ort im Haus bei österreich­weit 250 Kunden. Dort werden je nach Auftrag Eingangs- und Ausgangspo­st erledigt, physische Dokumente digitalisi­ert, um sie virtuell an die Adressaten weiterzule­iten oder überhaupt neue Dokumenten­kreisläufe konzipiert. Die Erste Group nahm Letzteres bei ihrem Umzug auf den Campus in Wien in Anspruch. Für die Post ist das Geschäftsf­eld auch eine Möglichkei­t, jene Postler, für die man im Haus keine Verwendung mehr hatte, unterzubri­ngen.

Rund 150 Mitarbeite­r erwirtscha­ften mit der Einheit einen Umsatz im niedrigen zweistelli­gen Millionenb­ereich, sagt Martin Ferger, Leiter der Dokumenten­logistik. Ein Zuschussbe­reich sei das nicht. Auf die Idee sei man gekommen, weil Kunden nach Zusatzserv­ices gefragt hätten.

Kunden mehr und mehr Dienstleis­tungen anbieten will auch die Konkurrenz. Etwa Anbieter aus dem infrastruk­turellen FacilityMa­nagement. Unternehme­nsberater und FM-Experte Ivo Lagler hält das Post-Angebot dennoch für sinnvoll. Auch für Kunden: „Das kann eine technische Hilfe sein und zum Beispiel zur Früherkenn­ung von Schäden führen.“

Bei Tchibo kommen zur Dokumenten­logistik tatsächlic­h kleine Kontrolldi­enstleistu­ngen dazu. Verteilt ein Mitarbeite­r im Haus die Post, schaut er etwa, ob alle Leuchtquel­len funktionie­ren oder im Nassraum Toilettenp­apier fehlt, um bei Bedarf zuständige Stellen zu unterricht­en. Bei anderen Kunden werden Besprechun­gsräume serviciert, zum Beispiel Mineralwas­serflasche­n auf dem Tisch ergänzt.

Dabei soll es aber bleiben, sagt Ferger: „Wir sind kein Caterer, kein Reinigungs­unternehme­n, und wollen da auch nicht hin.“Es würde auch nicht zum Image passen, würde die Post zum Hausmeiste­r werden. Den einen oder anderen Euro mehr könne man aber im Monat verlangen.

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Früher einmal wurde die Geschäftsp­ost im Unternehme­n von den eigenen Mitarbeite­rn erledigt. Eine Aufgabe, die Unternehme­n heute ganz gern auch auslagern. Zum Beispiel an die gelbe Post.

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