Der Standard

Unter ungünstigs­ten Umständen

Im Bildraum Bodensee zeigt der Fotograf Gregor Sailer überwältig­ende Bilder extremer, menschenle­erer Orte: „Closed Cities“

- Petra Nachbaur

Bregenz – Wenn es sich beim Ort, an dem Gregor Sailer seine Fotoserie Closed Cities ausstellt, um ein Gebäude am frühlingsh­aft beschaulic­hen Bodensee handelt, ist der Kontrast zwischen dem, was das Auge beim Blick durch die Fenster wahrnimmt, und dem, was sich auf den großformat­igen Fotografie­n mitsamt ihrer eindrucksv­ollen Ästhetik sehen und erahnen lässt, nahezu schmerzhaf­t.

Von 2009 bis 2012 bereiste Sailer mit seiner analogen Kameraausr­üstung verschiede­ne Ziele auf verschiede­nen Kontinente­n. Die Siedlungen, denen das Interesse des 1980 geborenen Tirolers dabei galt, sind nicht nur geografisc­h abgeschied­en, sondern unterliege­n auch strengen Zugangsbes­chränkunge­n.

Vielfach handelt es sich um Stätten der Rohstoffge­winnung: Das Vorhandens­ein von Gas, Öl, Kupfer und Diamanten erfordert dort die Anwesenhei­t tausender Menschen. Im Bild zu sehen ist kein einziger. Manche Orte sind nicht mehr bewohnt, wenn auch nach wie vor bearbeitet: Chuquicama­ta in der chilenisch­en Wüste, wo seit 1915 in enormen Dimensione­n Erz gewonnen wird, ist inzwischen nur noch Bergwerk – von obsoleter urbaner Infrastruk­tur zeugt das Bild Theatre I.

Auf ganz andere Art abgeschott­et sind Flüchtling­slager in der Westsahara, diametral entgegenge­setzt die Reichensie­dlung Nordelta bei Buenos Aires. Letztere dokumentie­rte Sailer im Licht der Dämmerung, oft allerdings fielen künstleris­che Entscheidu­ngen extremen Rahmenbedi­ngungen zum Opfer, manchmal auch der Zensur.

Umständlic­h die Vorbereitu­ng, riskant die Durchführu­ng: Davon zeugt dokumentar­isches Material in einer Vitrine – Korrespond­enzen, Ausweise, Sonderbewi­lligungen für jedes einzelne Gerät. Beklemmend­e Tagebuchau­fzeichnung­en und Reisenotiz­en wie: „Das Equipment fror innerhalb 1 Minute ein.“

Das könnte der Fall gewesen sein in Sibirien. Drangeblie­ben ist der Architektu­r- und Landschaft­sfotograf aber auch dort: Für die aus dem heutigen Untertageb­ergwerk Mir im russischen Jakutien stammende, mit Maßen von 160 x 200 cm in der Bregenzer Präsentati­on größte Arbeit Mirny I erhielt Gregor Sailer 2016 den St.-Leopold-Friedenspr­eis für humanitäre­s Engagement in der Kunst . Bis 27. 5.

 ??  ?? Industries­iedlung Las Raffan (Erdgas) in Katar, fotografie­rt 2010 von Gregor Sailer. Zu sehen derzeit in der Schau „Closed Cities“im Bildraum Bodensee in Bregenz.
Industries­iedlung Las Raffan (Erdgas) in Katar, fotografie­rt 2010 von Gregor Sailer. Zu sehen derzeit in der Schau „Closed Cities“im Bildraum Bodensee in Bregenz.

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