Der Klebstoff und die Reise nach Berlin
Borussia Dortmund ist im deutschen Fußball die Mannschaft der Stunde. Zwei Wochen nach dem Anschlag auf den Teambus stehen die Dortmunder nach einem Sieg in München im Pokalfinale. Das ist vor allem ein Verdienst von Trainer Thomas Tuchel.
München/Dortmund – Thomas Tuchel (43) war im Ekstasemodus, er war außer Rand und Band – wie wohl noch nie in seiner Karriere. Völlig losgelöst stürmte der BVBTrainer auf den Platz der Allianz Arena und fiel jedem SchwarzGelben, der ihm in die Quere kam, glückselig um den Hals. Das 3:2 (1:2) im deutschen Pokal-Halbfinale beim FC Bayern hat bei Borussia Dortmund nur zwei Wochen nach dem Bombenanschlag auf den Mannschaftsbus riesige Emotionen ausgelöst.
„Das ist eine große Genugtuung“, versicherte Sportdirektor Michael Zorc, „denn wenn es nach den letzten Wochen eine Mannschaft verdient hat, ein bisschen Glück zu haben und nach Berlin zu fahren, dann Borussia Dortmund.“Es fühle sich „sensationell gut“an, unterstrich Tuchel nach dem Einzug ins Finale am 27. Mai gegen Eintracht Frankfurt. Es ist das vierte BVB-Endspiel en suite – eine solche Serie gab’s im Pokal noch nie.
Auch wenn der BVB in der Liga im Kampf um die ChampionsLeague-Plätze noch „in der Pflicht steht“, wie Zorc vor dem Spiel am Samstag gegen die von Peter Stöger betreuten Kölner betonte, wurde die Kabine in München zur Partyzone umgewandelt. Laute Musik schallte nach draußen, Bierkisten wurden eilig herangeschleppt. „Es ging ab“, sagte Dortmunds Mittelfeldspieler Julian Weigl. Die Mannschaft habe es „ein bisschen krachen lassen, obwohl jeder kaputt war“.
Vertragsverlängerung
Der unerwartete Erfolg in München war der vorläufige Höhepunkt einer Berg-undTal-Fahrt für den BVB. Offenbar hat Tuchel, der in den vergangenen Wochen Profil gewann und vor einer Vertragsverlängerung steht, in den schweren Momenten die richtigen Worte gefunden. „Der Vorfall mit dem Bus hat uns zusammengeschweißt“, sagte Weigl – und sein Coach ergänzte: „Solche Ereignisse können dich aus der Bahn werfen, aber sie können auch für Klebstoff sorgen. Wir sind sehr glücklich, dass es an uns vorbeigegangen ist.“
Laut Tuchel sei „die Freude zurückgekommen“. Dieses Ereignis habe „Vertrauen zwischen allen Beteiligten“geschaffen und das Gefühl: „Wir können uns auf uns verlassen.“Marco Reus sprach von einer „super Mannschaft mit super Moral und Charakter“. Der Nationalspieler hatte den BVB in Führung gebracht (19.). Nach den Toren von Javi Martínez (28.) und Mats Hummels (41.) sah es lange gar nicht gut aus für Dortmund. „Da sind wir mit dem Schrecken davongekommen“, sagte Tuchel. Bei einem 1:3 „wäre es unmöglich gewesen, zurückzukommen“.
So aber sorgten Pierre-Emerick Aubameyang (69.) und Jungstar Ousmane Dembélé (74.), der David Alaba aussteigen ließ, für den Triumph in München. Es war auch ein Triumph der Jugend. Während Bayern nach einer Saison mit „nur“einem Titel (in spe) vor einem Umbruch und Trainer Carlo Ancelotti in der Kritik steht, hat die Borussia schon die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft gestellt. Deshalb, meinte Tuchel, habe der Sieg „enormen Stellenwert“, er sei „toll fürs Selbstvertrauen und für die Entwicklung der Mannschaft“. (sid, red)