Wie antike Zucht das Genom der Pferde veränderte
Vor über 2300 Jahren förderten die Skythen durch gezielte Selektion gewünschte Pferdemerkmale
Kopenhagen/Wien – Ohne das Pferd wäre die Geschichte mit Sicherheit anders verlaufen. Es war von Beginn an Transportmittel, Fleischlieferant sowie tatkräftiger Helfer bei der Feldarbeit und im Kriegsdienst. Auf dem Rücken der Reittiere ließen sich große Gebiete besser verwalten – was die Entwicklung von Großreichen förderte – und Fußsoldaten leichter besiegen, selbst wenn sich diese in der Überzahl befanden. Wann und wo das Wildpferd erstmals domestiziert wurde, lässt sich heute nur vage eingrenzen.
Forscher vermuten allerdings, dass die Zähmung des Equus ferus vor rund 5500 Jahren durch Angehörige der kupferzeitlichen Botai-Kultur in der zentralasiatischen Steppe auf dem Gebiet des heutigen Kasachstan stattgefunden hat. Zum Leidwesen der Archäologen existieren kaum Funde aus der Anfangszeit des Hauspferdes, weshalb bisher über den Einfluss von Domestizierung und Zucht auf die Entwicklung dieser Tiere wenig bekannt war.
Ein internationales Team um Ludovic Orlando von der Universität Kopenhagen hat nun versucht, diese Lücke anhand der Analyse von antiken Pferdefossilien zu schließen. Als Untersuchungsmaterial dienten den Wissenschaftern zwischen 2300 und 2700 Jahre alte Überreste von skythischen Pferden aus Sibirien und Kasachstan, ergänzt um ein Exemplar, das vor 4100 Jahren in Südrussland gelebt hatte.
Die Skythen waren ein zentralasiatisches Nomadenvolk, für das das Pferd insbesondere bei kriegerischen Auseinandersetzungen eine buchstäblich tragende Rolle spielte. Die meisterhaften Reiter setzten als erste den Kompositbogen vom Pferderücken aus ein und legten offenbar auch großen Wert auf bestimmte Eigenschaften ihrer Tiere. Diese haben sie auch durch Zucht gefördert, wie die nun im Fachjournal Science präsentierte Studie zeigt.
Anhand der DNA aus Pferdeknochen aus skythischen Königsgräbern konnten die Wissenschafter insgesamt 121 Gene identifizieren, deren Ausprägungen gezielt selektiert wurden. Viele davon stehen mit der Entwicklung der Vorderbeine in Zusammenhang. Eine dieser Genvarianten lässt etwa darauf schließen, dass die Skythen bei ihrer Zucht darauf Wert legten, dass ihre Pferde auf kurzen Strecken besonders viel Kraft entwickelten, also gute Sprinter waren. Auch Vorlieben bei den Fellfarben lassen sich aus den Genomen herauslesen: So dürften bei den Skythen schwarze, braune, fuchsfarbene und scheckige Pferde sehr begehrt gewesen sein.
Genetische Diversität
Trotz dieser Zuchtbemühungen wiesen die frühen Hauspferdepopulationen im Unterschied zu den modernen Tieren eine große genetische Vielfalt auf. Inzucht war demnach offenbar noch kein Thema. Dieser Befund zeigt, dass die Skythen bei ihren Pferden natürliche Herdenstrukturen erhielten und damals noch zahlreiche Abstammungslinien von Hengsten existierten. Erst die starke Linienzucht der vergangenen 2000 Jahre förderte die Anreicherung einiger krankheitsverursachender Mutationen, die den heutigen Pferden mitunter Probleme bereiten. (tberg)