„Naiv gegenüber Autokraten“
Experte fordert Umdenken in der EU
Skopje/Tirana – Mit der Gewalt in Mazedonien haben die zunehmenden Spannungen auf dem Balkan einen neuen Höhepunkt erreicht. Der Leiter des Zentrums für Südosteuropastudien an der Uni Graz, Florian Bieber, meint, es sei naiv, so lange abzuwarten. „Denn man hat es mit Autokraten zu tun. Für die gibt es nur entweder die absolute Macht oder das Gefängnis, sie sind in schwerwiegende Kriminalität verwickelt.“Bieber warnt: „Wenn man zusieht, wird es mehr von diesen Regimen geben.“
Unverständlich ist für den Politologen und Historiker, wieso sich die Europäische Volkspartei nicht von der mazedonischen VMRO-DPMNE und ihrem Chef Nikola Gruevski distanziert, obwohl diese Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ablehnten. „Man darf nicht wegen der Zusammenarbeit in der Flüchtlingskrise seine Seele verkaufen“, so Bieber zum STANDARD.
Lehnen europäische Werte ab
Parteien wie die VMRO seien strukturell anders. „Sie wollen eine andere Herrschaftsform als die demokratische. Es ist ein Missverständnis, zu glauben, dass sie nur lernen müssen, wie man regiert. Sie lehnen die europäischen Werte ab, weil sie mehr Macht und wirtschaftliche Vorteile wollen. Die Idee, dass Wandel mit einer Annäherung an diese Parteien funktioniert, ist gescheitert. Man hat das auch in den 1980ern mit den Kommunisten versucht. Das war ja auch naiv“, so Bieber.
Die Eskalation auf dem Balkan zeige auch, dass die USA unter Präsident Donald Trump weniger glaubwürdig intervenieren könnten. „Man kann nun erkennen, dass es in der Vergangenheit viel eher die klare Linie der USA war, die auf dem Balkan etwas bewegt hat und nicht die Attraktion der EU.“Durch die unklare US-Außenpolitik sei nun „ein , window of opportunity‘ für Autokraten“, entstanden. Von der EU fordert er klare Sanktionen für den Fall, dass Wahlergebnisse nicht akzeptiert würden. Die EU hole aber erst Drohszenarien heraus, wenn es zu spät sei. (awö)