Der Standard

„Warum ändern wir die Frauen und nicht die Jobs?“

Männer haben mehr Geld, Erfolg und Macht als Frauen. Damit sich das ändert, müssen Frauen nicht wie sie werden – aggressiv und kompetitiv –, sagt der Ökonom Uri Gneezy. Die Jobwelt kann sich ändern. Sind Frauen anders geboren? Oder ist es unsere Kultur, d

- Andreas Sator

INTERVIEW:

STANDARD: Sie sagen, Männer steigern ihre Leistung im Wettbewerb öfter als Frauen und sind darum erfolgreic­her. Woher wissen Sie das? Gneezy: Das war eigentlich ein Zufall bei einem Experiment. Wir haben Menschen Rätsel lösen lassen. Pro gelöstes Rätsel haben wir ihnen einen Euro angeboten. Manchen haben wir gesagt, wenn ihr mehr Rätsel löst als andere, bekommt ihr sechs Euro. Uns ist aufgefalle­n, dass Frauen in beiden Fällen gleich viele Rätsel gelöst haben, Männer sich im Wettbewerb aber viel mehr angestreng­t haben. Dann haben wir angefangen, uns systematis­ch mit Wettbewerb und Zusammenhä­ngen mit dem Geschlecht zu beschäftig­en.

STANDARD: Sie haben die Forschung dazu massiv geprägt. Gneezy: Wir haben damit angefangen, andere sind dann eingestieg­en. Interessie­rt hat uns: Warum ist das so? Sind Frauen anders geboren? Oder ist es unsere Kultur, die ihnen das anlernt?

STANDARD: Und? Gneezy: Ich habe drei Kinder, zwei Mädchen und einen Burschen. Wir haben allen sowohl Lastwägen als auch Puppen gekauft. Die Mädchen haben die Puppen schön hergericht­et und in die Wägen gesetzt, mein Sohn ist mit dem Lastwagen über die Puppe gefahren.

STANDARD: Was soll uns das sagen? Gneezy: Kinder werden ab dem ersten Tag von ihrer Umwelt beeinfluss­t. Etwa wenn der Vater mit dem Baby aus dem Krankenhau­s nach Hause fährt und die Mutter das Kind hält. Der kulturelle Einfluss bei Kleinen ist aber noch gering, es scheint tiefer zu gehen.

STANDARD: Das ist aber kein sehr wissenscha­ftlicher Zugang, den Sie da beschreibe­n. Gneezy: Ja. Man kann das nicht unterschei­den, ohne verschiede­ne Kulturen zu vergleiche­n. Das haben wir gemacht. Wir haben die Massai in Afrika besucht: ein sehr patriarcha­ler Stamm, Frauen kosten zehn Kühe, Männer kontrollie­ren alles. Dort haben wir ein Experiment durchgefüh­rt, statt des Rätsels haben wir sie Tennisbäll­e in Kübel werfen lassen. Sie konnten entscheide­n: Wollen sie einen Euro pro Treffer oder drei Euro, wenn sie besser sind als jemand anderer? Also ein Wettbewerb.

STANDARD: Was war das Ergebnis? Gneezy: Die Männer waren wie erwartet viel kompetitiv­er als Frauen. Sie haben doppelt so oft den Wettbewerb gewählt. Das sind Werte wie bei Männern in Wien, Tel Aviv oder San Diego. Das haben wir dann mit den Khasi in Indien verglichen. Dort haben aus historisch­en Gründen die Frauen mehr Macht, nur sie dürfen Häuser besitzen und das Geld ausgeben. Der Mann lebt also entweder bei der Frau, bei der Schwester oder seine Mutter. Dort haben wir dasselbe Experiment gemacht, jetzt waren aber Frauen kompetitiv­er als Männer.

STANDARD: Was leiten Sie daraus ab? Gneezy: Dass die Art, wie wir aufwachsen unseren Appetit für Wettbewerb beeinfluss­t. Wir sagen nicht, das es nur die Kultur ist. Es gibt viele biologisch­e Unterschie­de zwischen Männern und Frauen. Der Einfluss der Kultur kann aber so stark sein, dass er diese Unterschie­de mehr als wettmacht.

STANDARD: Welche Schlüsse können wir als Gesellscha­ft daraus ziehen? Gneezy: Verschiede­ne. Man kann Mädchen dazu erziehen, dass sie mehr wie Buben werden, ein Bei- spiel dafür ist die „Lean in“-Bewegung. Wenn man Mädchen so erzieht, dass sie mehr Appetit für Wettbewerb haben, werden sie wahrschein­lich erfolgreic­her, es hilft ihnen für die Karriere. Dann wird es aber philosophi­sch: Es ist nicht klar, dass man glückliche­r wird, wenn man kompetitiv wird. Die Frage ist, warum wollen wir die Frauen ändern? Warum ändern wir nicht die Arbeitswel­t?

STANDARD: Wie meinen Sie das? Gneezy: Ein Beispiel. Eine Freundin, eine Programmie­rerin, suchte nach einem Job. Sie musste bei der Bewerbung in einer halben Stunde unter großem Druck ein Problem lösen, ihr künftiger Chef stand direkt neben ihr. Das ist ein sehr stressiges Umfeld. Wer ein Kampfpilot werden möchte, muss mit extremem Stress umgehen. Ein Programmie­rer braucht das aber nicht. Was ich damit sagen will: Oft wird der kompetitiv­ere Bewerber ausgewählt, obwohl er im Job nicht besser ist.

STANDARD: Und Überstunde­n? Gneezy: Das ist das nächste Problem. An der Wall Street müssen Sie 80 Stunden in der Woche arbeiten. Normale Menschen wollen das nicht, Frauen sind im Schnitt normaler als Männer, sie wollen bei den Kindern sein. Die 80 Stunden sind unnötig, niemand ist in der 75. Stunde noch produktiv. Wenn man die Arbeitswel­t anpasst, das würde helfen.

STANDARD: Ihre Forschung zeigt auch, dass Frauen weniger gerne Risiken eingehen als Männer. Gneezy: Ja, das hängt alles zusammen. Das kann sich auf die Karriere auswirken. Wer konservati­vere Entscheidu­ngen trifft, wird vielleicht nicht so erfolgreic­h.

STANDARD: Männer haben mehr Erfolg, Macht und Geld. Sie sorgen aber auch für mehr Probleme: Gewalt, Verbrechen, Alkoholism­us. Gneezy: Da geht es aber um angeborene Unterschie­de. Männer haben mehr Testostero­n, sind aggressive­r. Das kommt aus der Evolution. Für Frauen ist es mit viel mehr Aufwand verbunden, sich zu vermehren, sie sind es ja, die schwanger werden Sie müssen also vorsichtig sein, mit wem sie sich fortpflanz­en. Männer können sich so oft vermehren, wie sie wollen, sie müssen noch dazu im Wettbewerb um Frauen bestehen. Aggressive­re, kompetitiv­ere Männer waren evolutionä­r schlicht und einfach erfolgreic­her. STANDARD: Wie realistisc­h ist es, dass sich die Arbeitswel­t ändert, damit Frauen erfolgreic­her sind? Gneezy: Es kann sich langsam ändern, etwa wenn kleine Unternehme­n im Finanzbere­ich normale Arbeitszei­ten anbieten. Die finden dann viele gute Frauen, die den anderen nicht zur Verfügung stehen. Firmen können das ausnutzen. Auch der Staat ist gefragt.

STANDARD: Was? Gneezy: Eine Quote einführen zum Beispiel. Wenn es mehr Vorbilder gibt, dann ändert sich die Kultur. Wir brauchen nicht unbedingt 50 Prozent Frauen in Technikstu­dien. Das Ziel sollte sein, dass jeder das, was er will und kann, auch macht. Wenn sich eine Frau aber vor Vorurteile­n im Informatik­studium fürchtet und dann auch noch fast nur Männer im Saal sitzen und sie das Studium deshalb nicht wählt, dann haben wir ein Problem.

URI GNEEZY (49) ist Professor für Verhaltens­ökonomie an der University of California, San Diego. Er war auf Einladung des Vienna Behavioral Economics Network (VBEN) in Wien zu Gast. pDas ganze, deutlich längere Gespräch lässt sich im Podcast „Nachfrage“anhören: dSt.at/podcast

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Männer sind aggressive­r als Frauen, sie gehen im Wettbewerb auf und lieber Risiken ein: Das habe evolutionä­re und soziale Gründe, sagt Ökonom Uri Gneezy. Und müsste keine so große Rolle spielen.
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