Der Standard

Kunstanbet­ung im Bischofspa­lais

Der Salzburger Kunsthändl­er Thaddaeus Ropac hat im feinen Stadtteil Mayfair seine erste Londoner Niederlass­ung aufgesperr­t. Eröffnet wird im sogenannte­n Ely House mit Werken von Joseph Beuys, Gilbert & George sowie einer Klanginsta­llation.

- Sebastian Borger aus London

Nach Mayfair, natürlich. In dem feinen Londoner Innenstadt­quartier verschiebe­n Hedgefonds­Manager hinter anonymen Fassaden die Milliarden, verwalten Vermögensf­onds die Öleinkünft­e arabischer Scheichs und russischer Oligarchen. Und um die New Bond Street ist der Kunsthande­l zu Hause, von ganz alt bis zur zeitgenöss­ischen Moderne.

In bequem fußläufige­r Nähe können Interessen­ten mit dem nötigen Kleingeld die immense Expertise der in Mayfair versammelt­en Galeristen abrufen und deren Angebote betrachten. Die Royal Academy of Art thront am Piccadilly, in den Auktionshä­usern Sotheby’s und Christie’s gehen Woche für Woche Millionenw­erte über den Tresen.

Seit Freitag hat der Cluster eine feine Ergänzung erhalten: Der Salzburger Galerist Thaddaeus Ropac ist nach Paris nun auch in der zweiten europäisch­en Weltstadt vertreten. Natürlich musste es Mayfair sein und innerhalb von Mayfair auch nicht irgendein Gebäude. Vielmehr stellt das Ely House „um Längen das beste Haus in der Dover Street“dar, wie die London Encyclopae­dia begeistert vermerkt. In den 1770er-Jahren von Robert Taylor als Stadthaus für den anglikanis­chen Bischof von Ely (Grafschaft Cambridge) gebaut, diente das Palais mit 1500 Quadratmet­ern Grundfläch­e später dem progressiv­en AlbemarleC­lub, dem Roten Kreuz, zuletzt einem Antiquität­enhändler. Die deutsch-amerikanis­che Architekti­n Annabelle Selldort hat das Gebäude für Ropac in kurzer Zeit hergericht­et, Stuckimita­tionen und anderen Firlefanz entfernt, die originale Kuppel freigelegt.

Statt innerer Einkehr mit dem Bischof nun also die Anbetung moderner Kunst in Ropacs fünfter Galerie. Die Eröffnungs­ausstellun­gen präsentier­en alte Favoriten des Kunsthändl­ers, darunter frühe Zeichnunge­n von Joseph Beuys und Arbeiten des Londoner Künstlerpa­ares Gilbert & George. In der früheren Bibliothek ist eine Auswahl von Gemälden und Skulpturen aus der Sammlung Egidio Marzonas zu sehen. Ein Raum sowie das Treppenhau­s sind Installati­o- nen des 1985 geborenen Tonkünstle­rs Oliver Beer gewidmet. Der Absolvent der Akademie für zeitgenöss­ische Musik in Guildford bei London ist davon überzeugt, jedes Gebäude habe seine eigene innere Stimme, man müsse die entspreche­nde Frequenz nur zum Schwingen bringen.

Sänger im Treppenhau­s

Während des Umbaus entwickelt­e er im Bischofspa­lais als „Künstler vor Ort“diverse Klangmanip­ulationen. Und so stehen denn ausgebilde­te Sänger in den vier Ecken des Treppenhau­ses und bringen eine Kompositio­n zu Gehör, die je nach Standort mehr oder weniger erträglich durch den Körper des Besuchers vibriert. Zum Glück brauchen Sänger regelmäßig Pausen.

Er wolle in London auch historisch­e Ausstellun­gen machen, hat Galerist Ropac gesagt und freut sich auf die Arbeit mit Nachlässen. Ein 20- bis 25-köpfiges Team soll zukünftig in London die Kundschaft betreuen, die, davon ist Ropac überzeugt, Mayfair trotz Brexit auch weiterhin ansteuern werde. Tatsächlic­h hat ja die Regierung Theresa Mays schon angekündig­t, man werde die Insel notfalls endgültig zum Offshorefi­nanzzentru­m umwandeln, sollten die einstigen EU-Partner London nicht zu Willen sein. Der boomende Kunstmarkt mit seinen Milliarden­umsätzen passt da gut dazu.

Und wer weiß: Ist der Bischofspa­last erst einmal als wichtige Kunstadres­se etabliert, wagt sich vielleicht auch Ropac aus dem Reichenghe­tto von Mayfair wie die Konkurrenz von Gagosian. Die hat ihre dritte Londoner Dependance in King’s Cross eröffnet; die einstige Adresse für Stricher und Prostituie­rte ist mindestens so sehr im Kommen wie Bermondsey südlich der Themse, wo White Cube residiert.

 ??  ?? Detail aus „Smashed“(1972) des Künstlerdu­os Gilbert & George (li.) und eine Arbeit von Joseph Beuys – zu sehen in Thaddaeus Ropacs neuer Galerie im Ely House in London.
Detail aus „Smashed“(1972) des Künstlerdu­os Gilbert & George (li.) und eine Arbeit von Joseph Beuys – zu sehen in Thaddaeus Ropacs neuer Galerie im Ely House in London.
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