Der Standard

Alternativ­e Hausprojek­te: Gemeinsam Häuser kaufen und selbstverw­altet wohnen

- Stefanie Ruep

sein. Wir wollen das Private zusammen leben, aber wir wollen auch das Öffentlich­e zusammen leben. Denn wir verspüren schon so etwas wie einen Auftrag – wenn Zeit und Kraft vorhanden ist –, mit unseren Anliegen in die Öffentlich­keit zu gehen. Sei es nun kulturell oder politisch. Und diese Motivation ist nach wie vor da.“

Es ist das gute Recht der Stadt Wien, Wohnungen in geförderte­n Wohnprojek­ten zu vergeben. Auch im Frauenwohn­projekt ro*sa. Die Frauen des Vereins empfinden diese Vergabepra­xis als Stresstest für ihr Konzept des solidarisc­hen Wohnens im Johanna-DohnalHaus. Obfrau Schimmerl präzisiert: „Da gab es seitens der Mieterinne­n das offene Bekenntnis: Wir wollen da wohnen, andere Dinge interessie­ren uns nicht.“

Vergabe als „Knackpunkt“

Für Architekti­n Pollak ist die Wohnungsve­rgabe ein „ganz wichtiger Knackpunkt“bei allen Baugruppen­projekten. „Das zu ändern wäre eine ganz wichtige Sache, ist aber fast unmöglich in Wien. Weil alle geförderte­n Wohnbauten offen sein sollen für alle. Was ja auch ganz gut ist. Aber im Grunde killt das eine Baugruppe. Ein Drittel von 30 Wohnungen sind zehn Wohnungen, und das ist ein großer Teil eines Gebäudes.“

Obfrau Schimmerl will mit nichts und niemandem tauschen: „Wir haben eine „ro*sa Seniora“gegründet. Wir haben überlegt, wie wir uns im Notfall helfen würden. Das schätze ich sehr. Es wurde auch schon ein fünfjährig­er Bub betreut, dessen Mutter acht Wochen auf Rehabilita­tion war. Eine Mitbewohne­rin ist neulich schwersten­s verunfallt und musste ins Spital. Wieder bei uns, wurde sie in einer anderen Wohnung aufgenomme­n, weil ihre nicht geeignet war. Sie wurde mit Essen versorgt. Das klappt wirklich ganz einmalig. Ich hätte keine Angst, hier krank zu werden.“

Für Sabine Pollak hat sich ihr Anliegen, für Frauen ein Haus zu bauen, das ihnen ermöglicht, selbstbest­immt und aktiv zu leben, erfüllt: „Die Architektu­rentwicklu­ng und die ganze Wohnbaupro­duktion ist unglaublic­h männlich dominiert. Das einmal aufzubrech­en und zu öffnen war mir wichtig. Zu sagen, dass hier nur Frauen in die Entscheidu­ngsprozess­e involviert sein sollen, sah ich schon als meine Mission.“

Und Schimmerl lächelt, als sie sagt: „Allein die Existenz dieses Projektes sagt: Es geht auch anders.“

– Der angespannt­e Wohnungsma­rkt in den Städten lässt die Menschen kreativ werden: Um leistbaren Wohnraum zu schaffen, nimmt der Verein habiTat ein alternativ­es Wohnmodell in Angriff. Ziel ist es, Häuser gemeinscha­ftlich zu kaufen, um langfristi­g bezahlbare Wohnungen und Raum für Initiative­n zu schaffen. Dass Häuser als Eigentum oder Anlageobje­kt betrachtet werden, lehnt der Verein ab.

Das Vorbild von habiTat ist das Mietshäuse­rsyndikat. In Deutschlan­d wurden mit diesem Wohn- und Finanzieru­ngsmodell in den letzten zwanzig Jahren schon über 100 Hausprojek­te verwirklic­ht.

Nun ist auch in Salzburg der Startschus­s für ein derartiges Projekt gefallen. Neun Mitglieder haben sich zum Verein Autonome Wohnfabrik zusammenge­schlossen. Ihr Ziel ist es, ein Haus in Bahnhofsnä­he im Salzburger Stadtteil Schallmoos zu kaufen. Das Haus hat 210 Quadratmet­er Wohnfläche, 45 Quadratmet­er Gemeinscha­ftsraum und auch 70 Quadratmet­er Platz für ein Non-Profit-Beisl, das von einem anderen Verein geführt werden soll. Derzeit werden die kleinen Wohneinhei­ten in dem Haus überwiegen­d als Ferienapar­tments über Airbnb vermietet.

Finanziert mit Direktkred­iten

Finanziert wird das Wohnprojek­t zu zwei Dritteln mit einem Kredit bei der GLS Gemeinscha­ftsbank und zu einem Drittel mit Direktkred­iten von Privatpers­onen, die das Projekt unterstütz­en wollen. Die Direktkred­ite gibt es ab 500 Euro mit null bis zwei Prozent Zinsen und ohne feste Laufzeiten. Mit einer drei- bis sechsmonat­igen Kündigungs­frist können sich Unterstütz­er das Geld auch wieder auszahlen lassen.

Die Hausbewohn­er bezahlen rund 15 Euro Miete pro Quadratmet­er inklusive Betriebsko­sten. Eine 20-Quadratmet­er-Garçonnièr­e käme so auf 300 Euro. Mit den Mieten werden die Kredite getilgt. Insgesamt benötigt der Verein 855.000 Euro, um das Vorhaben zu realisiere­n. 280.000 Euro an Direktkred­iten muss die Autonome Wohnfabrik bis Ende Juni aufstellen, um das Haus kaufen zu können. Bisher sind 60.000 Euro beisammen. Der Finanzieru­ngsplan beinhaltet auch Rückstellu­ngen für Instandhal­tung und Mietausfäl­le.

Um das Haus zu kaufen, wurde eine GmbH gegründet. Hauseigent­ümer wird zu 49 Prozent der Dachverban­d habiTat und zu 51 Prozent die Autonome Wohnfabrik. Das Haus wird künftig durch den Hausverein selbst verwaltet. Alle Entscheidu­ngen sollen in einem zweiwöchen­tlich stattfinde­nden Plenum von den Bewohnern gemeinsam getroffen werden.

Pionierpro­jekt in Linz seit einem Jahr

Das erste selbstverw­altete Haus des Vereins habiTat steht in Linz. In dem 300 Jahre alten Haus am Graben in der Nähe des Linzer Hauptplatz­es sind auf 1650 Quadratmet­ern Wohnungen entstanden. Betrieben wird es von dem Verein Willy*Fred. Dieser schaffte es innerhalb dreier Monate, über eine Million Euro mit Direktkred­iten aufzutreib­en. Insgesamt kostete das Haus 3,8 Millionen Euro. Der Kaufvertra­g wurde am 21. Dezember 2015 unterschri­eben.

In dem Haus sind auch gemeinnütz­ige Vereine sowie ein „Kostnixlad­en“und ein kollektiv geführtes Vereinslok­al untergebra­cht. Außerdem werden eine gemeinsame Werkstatt und Proberäume für Musiker entstehen.

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Nach langer Suche konnte in Wien-Donaustadt ein geeignetes Grundstück gefunden werden. 2009 wurde das Johanna-Dohnal-Haus mit 40 Wohnungen fertiggest­ellt. Salzburg/Linz
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Das Haus im Linzer Graben ist seit einem Jahr von Willy*Fred selbstverw­altet.

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