Alternative Hausprojekte: Gemeinsam Häuser kaufen und selbstverwaltet wohnen
sein. Wir wollen das Private zusammen leben, aber wir wollen auch das Öffentliche zusammen leben. Denn wir verspüren schon so etwas wie einen Auftrag – wenn Zeit und Kraft vorhanden ist –, mit unseren Anliegen in die Öffentlichkeit zu gehen. Sei es nun kulturell oder politisch. Und diese Motivation ist nach wie vor da.“
Es ist das gute Recht der Stadt Wien, Wohnungen in geförderten Wohnprojekten zu vergeben. Auch im Frauenwohnprojekt ro*sa. Die Frauen des Vereins empfinden diese Vergabepraxis als Stresstest für ihr Konzept des solidarischen Wohnens im Johanna-DohnalHaus. Obfrau Schimmerl präzisiert: „Da gab es seitens der Mieterinnen das offene Bekenntnis: Wir wollen da wohnen, andere Dinge interessieren uns nicht.“
Vergabe als „Knackpunkt“
Für Architektin Pollak ist die Wohnungsvergabe ein „ganz wichtiger Knackpunkt“bei allen Baugruppenprojekten. „Das zu ändern wäre eine ganz wichtige Sache, ist aber fast unmöglich in Wien. Weil alle geförderten Wohnbauten offen sein sollen für alle. Was ja auch ganz gut ist. Aber im Grunde killt das eine Baugruppe. Ein Drittel von 30 Wohnungen sind zehn Wohnungen, und das ist ein großer Teil eines Gebäudes.“
Obfrau Schimmerl will mit nichts und niemandem tauschen: „Wir haben eine „ro*sa Seniora“gegründet. Wir haben überlegt, wie wir uns im Notfall helfen würden. Das schätze ich sehr. Es wurde auch schon ein fünfjähriger Bub betreut, dessen Mutter acht Wochen auf Rehabilitation war. Eine Mitbewohnerin ist neulich schwerstens verunfallt und musste ins Spital. Wieder bei uns, wurde sie in einer anderen Wohnung aufgenommen, weil ihre nicht geeignet war. Sie wurde mit Essen versorgt. Das klappt wirklich ganz einmalig. Ich hätte keine Angst, hier krank zu werden.“
Für Sabine Pollak hat sich ihr Anliegen, für Frauen ein Haus zu bauen, das ihnen ermöglicht, selbstbestimmt und aktiv zu leben, erfüllt: „Die Architekturentwicklung und die ganze Wohnbauproduktion ist unglaublich männlich dominiert. Das einmal aufzubrechen und zu öffnen war mir wichtig. Zu sagen, dass hier nur Frauen in die Entscheidungsprozesse involviert sein sollen, sah ich schon als meine Mission.“
Und Schimmerl lächelt, als sie sagt: „Allein die Existenz dieses Projektes sagt: Es geht auch anders.“
– Der angespannte Wohnungsmarkt in den Städten lässt die Menschen kreativ werden: Um leistbaren Wohnraum zu schaffen, nimmt der Verein habiTat ein alternatives Wohnmodell in Angriff. Ziel ist es, Häuser gemeinschaftlich zu kaufen, um langfristig bezahlbare Wohnungen und Raum für Initiativen zu schaffen. Dass Häuser als Eigentum oder Anlageobjekt betrachtet werden, lehnt der Verein ab.
Das Vorbild von habiTat ist das Mietshäusersyndikat. In Deutschland wurden mit diesem Wohn- und Finanzierungsmodell in den letzten zwanzig Jahren schon über 100 Hausprojekte verwirklicht.
Nun ist auch in Salzburg der Startschuss für ein derartiges Projekt gefallen. Neun Mitglieder haben sich zum Verein Autonome Wohnfabrik zusammengeschlossen. Ihr Ziel ist es, ein Haus in Bahnhofsnähe im Salzburger Stadtteil Schallmoos zu kaufen. Das Haus hat 210 Quadratmeter Wohnfläche, 45 Quadratmeter Gemeinschaftsraum und auch 70 Quadratmeter Platz für ein Non-Profit-Beisl, das von einem anderen Verein geführt werden soll. Derzeit werden die kleinen Wohneinheiten in dem Haus überwiegend als Ferienapartments über Airbnb vermietet.
Finanziert mit Direktkrediten
Finanziert wird das Wohnprojekt zu zwei Dritteln mit einem Kredit bei der GLS Gemeinschaftsbank und zu einem Drittel mit Direktkrediten von Privatpersonen, die das Projekt unterstützen wollen. Die Direktkredite gibt es ab 500 Euro mit null bis zwei Prozent Zinsen und ohne feste Laufzeiten. Mit einer drei- bis sechsmonatigen Kündigungsfrist können sich Unterstützer das Geld auch wieder auszahlen lassen.
Die Hausbewohner bezahlen rund 15 Euro Miete pro Quadratmeter inklusive Betriebskosten. Eine 20-Quadratmeter-Garçonnière käme so auf 300 Euro. Mit den Mieten werden die Kredite getilgt. Insgesamt benötigt der Verein 855.000 Euro, um das Vorhaben zu realisieren. 280.000 Euro an Direktkrediten muss die Autonome Wohnfabrik bis Ende Juni aufstellen, um das Haus kaufen zu können. Bisher sind 60.000 Euro beisammen. Der Finanzierungsplan beinhaltet auch Rückstellungen für Instandhaltung und Mietausfälle.
Um das Haus zu kaufen, wurde eine GmbH gegründet. Hauseigentümer wird zu 49 Prozent der Dachverband habiTat und zu 51 Prozent die Autonome Wohnfabrik. Das Haus wird künftig durch den Hausverein selbst verwaltet. Alle Entscheidungen sollen in einem zweiwöchentlich stattfindenden Plenum von den Bewohnern gemeinsam getroffen werden.
Pionierprojekt in Linz seit einem Jahr
Das erste selbstverwaltete Haus des Vereins habiTat steht in Linz. In dem 300 Jahre alten Haus am Graben in der Nähe des Linzer Hauptplatzes sind auf 1650 Quadratmetern Wohnungen entstanden. Betrieben wird es von dem Verein Willy*Fred. Dieser schaffte es innerhalb dreier Monate, über eine Million Euro mit Direktkrediten aufzutreiben. Insgesamt kostete das Haus 3,8 Millionen Euro. Der Kaufvertrag wurde am 21. Dezember 2015 unterschrieben.
In dem Haus sind auch gemeinnützige Vereine sowie ein „Kostnixladen“und ein kollektiv geführtes Vereinslokal untergebracht. Außerdem werden eine gemeinsame Werkstatt und Proberäume für Musiker entstehen.