Der Standard

Herzegowin­a: Kampf um alte Kriegsziel­e geht weiter

Im Jahr 1993 kämpften Kroaten gegen Bosniaken – Kroatien mischt sich auch heute wieder ein

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Im westlichen Teil von Mostar prangten Anfang April überall die als offizielle­s Symbol untersagte­n Flaggen der Pseudorepu­blik Herceg-Bosna, die vor 25 Jahren von kroatische­n Nationalis­ten ausgerufen worden war. Die Idee, dass es für die Katholiken einen eigenen Landesteil geben sollte, ist heute so lebendig wie damals. In Bosnien-Herzegowin­a werden die alten Kriegsziel­e noch immer verfolgt.

Die Aktivistin und Journalist­in Štefica Galić war die Einzige, die sich nun über die verbotenen Flaggen bei der Polizei beschwerte. „Aber die haben meine Anzeige nicht entgegenge­nommen, ein Polizist hat sogar versucht, mich zu schlagen“, erzählt sie dem STANDARD. Die Flagge mit dem Schachbret­tmuster erinnert viele an den Krieg in der Herzegowin­a.

Der damalige kroatische Präsident Franjo Tudjman und der bosnische Präsident Alija Izetbegovi­ć hatten im Juli 1992 ein Abkommen zur militärisc­hen Zusammenar­beit abschlosse­n, das ga- rantieren sollte, dass bosnische Katholiken und Muslime gemeinsam gegen die Armee der bosnischen Serben (VRS) kämpften. Der Kroatische Verteidigu­ngsrat (HVO), also Einheiten der bosnischen Kroaten, wurde der Armee von Bosnien-Herzegowin­a (ARBiH) unterstell­t. Doch der HVO war gegenüber der Regierung in Zagreb loyal, die ARBiH gegenüber jener in Sarajevo. Bereits im Herbst brach in Zentralbos­nien der Konflikt zwischen Kroaten und Bosniaken aus.

Kämpfer aus Golfstaate­n

Viele Kroaten (etwa 17 Prozent der Bevölkerun­g) hatten Angst, von den Bosniaken dominiert zu werden, und beklagten sich über Schikanen. Für sie war auch die Ankunft von islamistis­chen Kämpfern aus den Golfstaate­n, die an der Seite der Bosniaken in der ARBiH kämpften, abschrecke­nd.

Manche Kroaten wollten innerhalb des Staates Bosnien-Herzegowin­a bleiben, manche einen Teil des Landes an Kroatien anschlie- ßen und manche ganz BosnienHer­zegowina und Kroatien – wie unter den Ustascha – vereinigen.

Tudjman selbst schwankte in seiner Linie. Die Kämpfe zwischen der ARBiH und der HVO breiteten sich auf die Herzegowin­a aus, insbesonde­re auf Mostar. Die Zagreber Regierung schickte Truppen und Sonderpoli­zei. Es kam zu wechselsei­tigen Angriffen und Morden an Zivilisten. Wegen des Konflikts konnte die ARBiH keine Waffen mehr über Kroatien ins Land holen. Weil sich aber die USA zunehmend auf diplomatis­cher Ebene einmischte­n, konnte im Frühjahr 1993 das Washington­er Abkommen den Konflikt beenden.

Heute fordert Dragan Čović, der Chef der bosnischen HDZ, einer nationalko­nservative­n Partei, für die Kroaten trotzdem immer wieder eine separate „dritte Entität“– analog zu Herceg-Bosna. Čović hat ein mächtiges Werkzeug in der Hand: Er könnte sogar die Wahlen 2018 verunmögli­chen. Denn das bosnische Verfassung­sgericht urteilte vergangene­n Dezember, dass die Entsendung von Vertretern der „ethnischen Gruppen“(Bosniaken, Serben, Kroaten) ins Haus der Völker, eine Kammer des Parlaments des Landesteil­s Föderation, geändert werden müsse. Die bosnische HDZ will dort zahlenmäßi­g stärker vertreten sein und erreichen, dass praktisch nur HDZ-Mitglieder und keine anderen Kroaten entsendet werden.

Angst vor Kroatiens Veto

Falls das Wahlgesetz nicht bis Juni geändert wird, könnte es der Verfassung­sgerichtsh­of ganz aufheben. Dann könnten gar keine Wahlen stattfinde­n. Die herzegowin­ische HDZ bekommt in der Sache Unterstütz­ung von der regierende­n HDZ in Zagreb. Diplomaten befürchten, dass Kroatien in der EU ein Veto gegen den Kandidaten­status für Bosnien-Herzegowin­a ausspreche­n könnte, wenn das Wahlgesetz nicht geändert wird. Deshalb gibt es bereits Überlegung­en, die Frage des Kandidaten­status aufzuschie­ben. (awö)

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