SPÖ mit Palmwedel nach Streichkonzert
Bundeskanzler Christian Kern rief beim Maiaufmarsch der SPÖ die zerstrittenen Sozialdemokraten zu Einigkeit und Solidarität auf. Am Wochenende hatten die Wiener Genossen sich auf ihrem Landesparteitag noch gegenseitig abgestraft.
Wien – „Du hast gesagt, du erwartest keine Palmwedel, meine Ottakringer Genossen haben dir welche mitgebracht“, sagte der Wiener Bürgermeister und SPÖ-Chef Michael Häupl beim Maiaufmarsch der Roten. Die Wedel in der ersten Reihe des Wiener Rathausplatzes galten Kanzler Christian Kern, der seine Premierenrede als Parteivorsitzender am Rathausplatz hielt. Nachdem sein Vorgänger Werner Faymann vergangenes Jahr bei seiner Rede ausgepfiffen worden war, versuchte man von allen Seiten her Einigkeit zu demonstrieren. Einzig ein Transparent der Sozialistischen Jugend brach mit dieser Prämisse: „Rote Schale, schwarzer Kern“, war zu lesen.
In seiner Rede ging Kern aber auch darauf ein. Er diskutiere gerne über den „Kern unserer Politik“und sprach eine Einladung ins Kanzleramt aus. „Wir werden auch keine freche Jugendorganisation ausschließen. Sonst würde ich heute auch nicht hier stehen.“
Kern rief in seiner Rede die Genossen zu Zusammenhalt auf: „Es ist eine Frage des Respekts, dass wir uns nicht mit uns selbst beschäftigen, sondern mit den Sorgen der 95 Prozent, die wir zu vertreten haben.“Die SPÖ verbinde „Freundschaft und Leidenschaft“sowie das „Brennen“für Chancengleichheit.
In seiner Rede ging Kern zudem auf den Landesparteitag der Wiener Genossen ein. Er habe das Wahlergebnis „zur Kenntnis“genommen, es zeige, dass das, was sich die Mitglieder von der Spitze erwarteten, sei, „dass wir daran arbeiten, unsere gemeinsame Leidenschaft umzusetzen“.
Häupl mit nur 77 Prozent
Die zerkrachten Flügel der Wiener SPÖ haben sich am Samstag bei der Wahl ihres Vorstands am Landesparteitag gegenseitig abgestraft: Häupl erreichte nur rund 77,4 Prozent bei seiner Wiederwahl als Parteivorsitzender, 2015 waren es noch 95,8 Prozent. „Natürlich habe ich mir ein anderes Ergebnis erhofft, aber es ist hinzunehmen“, sagte er am Samstag.
Wohnbaustadtrat Michael Ludwig, der große Ambitionen auf die Nachfolge Häupls hegen soll, verlor als einer von fünf Stellvertretern Häupls stark. Von 89,6 Prozent rutschte er auf nur 67,8 Prozent ab. „Ich habe mich für einen Parteitag der Geschlossenheit eingesetzt, mich bemüht, dem Polarisieren entgegenzuwirken“, sagte Ludwig.
Auch dürfte es bei der Wahl zum Wiener Vorstand – wie oft im Vorfeld spekuliert – zu koordinierten Streichungen gekommen sein. So wurden Spickzettel gefunden, welche Personen man streichen sollte. Auf der Liste standen neben Häupl unter anderem Finanzstadträtin Renate Brauner und Gesundheitsstadträtin Sandra Frauenberger. Landesparteisekretärin Sybille Strubinger sagte dem STANDARD: „Wir hätten uns das anders und einigender gewünscht.“Der monatelange Konflikt sei nicht innerhalb von ein paar Tagen und Wochen vom Tisch zu wischen gewesen.
Das schwächste Ergebnis hatte Häupl-Kritiker Harald Troch, der SPÖSimmering-Chef schaffte nur 65,0 Prozent bei seiner Wahl als Beisitzer im Vorstand. 2015 waren es noch 83,9 Prozent. Brauner wurde mit dem zweitschlechtesten Ergebnis des Vorstands als stellvertretende Vorsitzende mit nur 67,5 Prozent bestätigt, 2015 schaffte sie noch 80 Prozent: „Das Ergebnis ist Ausdruck der öffentlichen Diskussion der letzten Monate“, sagte sie.
Kern: Keine Neuwahlen
Die Partei habe in Krisen immer zusammengestanden, sagte Kern am Rathausplatz: „Das ist das, was ihr euch erwarten dürft, und das ist auch das, was ich mir erwarte.“„Der wahre politische Gegner ist nicht in unseren Reihen zu suchen.“Neuwahlen schloss Kern in seiner Rede erneut aus: „Arbeit in der Bundesregierung ist nicht immer Wellness, aber die Interessen der Österreicher stehen vor jeder Parteitaktik.“Man werde „um jeden Zentimeter kämpfen“und sich „am Gras festklammern, damit wir den Schlüssel zum Bundeskanzleramt nicht an die Blauen überantworten“. Häupl erklärte dazu, es würden „sehr harte Wahlauseinandersetzungen“anstehen. Nur wenn die Wähler klar wüssten, wofür die SPÖ steht, würden sie ihnen auch ihr Vertrauen schenken.