Jeder zehnte Kindergarten braucht Hilfspersonal
Wegen Personalmangels werden in rund zehn Prozent der Wiener Kindergartengruppen nicht entsprechend ausgebildete Betreuer eingesetzt. Die Wiener Neos fordern mehr ausgebildetes Personal.
Wien – In Wien stehen für die Kinderbetreuung aktuell rund 86.200 Plätze in städtischen und privaten Kindergärten zur Verfügung. Die Stadtregierung verweist stolz darauf, dass bei den Drei- bis Sechsjährigen eine Versorgungsquote von mehr als 100 Prozent erreicht wird. Bei den Null- bis Dreijährigen beträgt diese rund 47 Prozent. Weil die Stadt weiterwachsen soll, hat die Politik einen Ausbau von Einrichtungen angekündigt – und will Kindergärten und Schulen noch mehr als bisher miteinander vernetzen.
Schon jetzt werden die Kinder aber teils nicht adäquat betreut. Die Wiener Kindergartenverordnung sieht vor, dass etwa eine Kindergartengruppe höchstens 25 Buben und Mädchen umfassen darf. Als Betreuungspersonen müssen pro Gruppe eine Kindergartenpädagogin oder ein -pädagoge (Vollzeit) sowie eine Assistentin oder ein Assistent (im Ausmaß von mindestens 20 Stunden pro Woche) anwesend sein. Kinderbetreuungseinrichtungen können aber um Ausnahmen von dieser Regel ansuchen, sofern nicht genügend ausgebildetes Personal zur Verfügung steht.
Auf diese Möglichkeit wird STANDARD- Informationen zufolge zurückgegriffen: Laut Auskunft aus dem Büro von Bildungsstadt- rat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) wurden in Wien für „rund zehn Prozent aller Kindergartengruppen“Ausnahmen – sogenannte Nachsichten – erteilt.
Statt eines Kindergartenpädagogen kann dann laut Kindergartengesetz (Paragraf 16, Abs. 4) auch nicht ausgebildetes Personal eingesetzt werden, das nur „Erfahrung in der Betreuung einer Gruppe von Kindern bis zum Beginn der Schulpflicht“ nachzuweisen braucht. Dasselbe schwammige Kriterium gilt für die Verwendung anstelle eines ausgebildeten Hortpädagogen.
465 Ausnahmen 2016
Laut einer Anfragebeantwortung an die Wiener Neos wurden im Vorjahr 339 Nachsichtsbescheide für private Träger und 126 für städtische Kinderbetreuungseinrichtungen ausgestellt. Insgesamt wurden von der Stadt Ausnahmen für 465 Gruppen genehmigt. 2015/16 gab es laut Zahlen der Kindertagesheimstatistik 5043 Gruppen in Wien.
„Die Betreuungsquote in den Kindergärten in Wien ist grundsätzlich schon schlecht“, sagte Neos-Bildungssprecher Christoph Wiederkehr. „Diese Anfragebeantwortung zeigt aber, dass selbst dieser niedrige Standard nicht gehalten werden kann.“Er fordert Czernohorszky auf, für mehr Personal und einen besseren Betreuungsschlüssel zu sorgen.
Laut dem Büro des Stadtrats ist die Qualität in der Betreuung sichergestellt: So gebe es etwa Lehrerinnen, die Kinder in privaten Hortgruppen am Nachmittag betreuen. Die zuständige Aufsichtsbehörde MA 11 fordere ergänzende Ausbildungen ein – bis dahin würden Nachsichten gewährt. Auch in Randzeiten in der Früh sowie am Nachmittag würde vorübergehend befristetes Personal eingesetzt, „das in Ausbildung befindlich ist und die behördlichen Auflagen noch nicht zur Gänze erfüllt“. In jedem Fall seien die Kindergartenträger verpflichtet, gut ausgebildetes Personal „unverzüglich anzustellen“, sofern dieses verfügbar ist. Das werde auch überprüft. Die Ausnahmen sind bis August des Jahres befristet.
Auf Ausbau nicht vorbereitet
Dass die Stadt auf die Einführung des Gratiskindergartens im Jahr 2009 und den damit verbundenen massiven Kapazitätsausbau an Kindergartenplätzen nicht vorbereitet war, zeigten bereits im Vorjahr zwei Berichte des Stadtrechnungshofs (Stadt-RH). So wurden Millionen an Förderungen ohne entsprechende Kriterien und Kontrolle an private Träger ausgeschüttet. Bei einem Drittel der überprüften privaten Kindergärten war qualifiziertes Fachpersonal nicht anwesend. Laut einer damaligen Stellungnahme der Stadt habe man das Problem erkannt: Die neuen Förderrichtlinien würden seit 2014 gelten.
Dazu kommt die Diskussion über islamische Kindergärten in Wien: Eine Vorstudie von Islamforscher Ednan Aslan sprach teils von salafistischen und islamistischen Einflüssen. Eine großangelegte Untersuchung von islamischen Kinderbetreuungseinrichtungen soll bis Herbst fertig sein.