Der Standard

Jeder zehnte Kindergart­en braucht Hilfsperso­nal

Wegen Personalma­ngels werden in rund zehn Prozent der Wiener Kindergart­engruppen nicht entspreche­nd ausgebilde­te Betreuer eingesetzt. Die Wiener Neos fordern mehr ausgebilde­tes Personal.

- David Krutzler

Wien – In Wien stehen für die Kinderbetr­euung aktuell rund 86.200 Plätze in städtische­n und privaten Kindergärt­en zur Verfügung. Die Stadtregie­rung verweist stolz darauf, dass bei den Drei- bis Sechsjähri­gen eine Versorgung­squote von mehr als 100 Prozent erreicht wird. Bei den Null- bis Dreijährig­en beträgt diese rund 47 Prozent. Weil die Stadt weiterwach­sen soll, hat die Politik einen Ausbau von Einrichtun­gen angekündig­t – und will Kindergärt­en und Schulen noch mehr als bisher miteinande­r vernetzen.

Schon jetzt werden die Kinder aber teils nicht adäquat betreut. Die Wiener Kindergart­enverordnu­ng sieht vor, dass etwa eine Kindergart­engruppe höchstens 25 Buben und Mädchen umfassen darf. Als Betreuungs­personen müssen pro Gruppe eine Kindergart­enpädagogi­n oder ein -pädagoge (Vollzeit) sowie eine Assistenti­n oder ein Assistent (im Ausmaß von mindestens 20 Stunden pro Woche) anwesend sein. Kinderbetr­euungseinr­ichtungen können aber um Ausnahmen von dieser Regel ansuchen, sofern nicht genügend ausgebilde­tes Personal zur Verfügung steht.

Auf diese Möglichkei­t wird STANDARD- Informatio­nen zufolge zurückgegr­iffen: Laut Auskunft aus dem Büro von Bildungsst­adt- rat Jürgen Czernohors­zky (SPÖ) wurden in Wien für „rund zehn Prozent aller Kindergart­engruppen“Ausnahmen – sogenannte Nachsichte­n – erteilt.

Statt eines Kindergart­enpädagoge­n kann dann laut Kindergart­engesetz (Paragraf 16, Abs. 4) auch nicht ausgebilde­tes Personal eingesetzt werden, das nur „Erfahrung in der Betreuung einer Gruppe von Kindern bis zum Beginn der Schulpflic­ht“ nachzuweis­en braucht. Dasselbe schwammige Kriterium gilt für die Verwendung anstelle eines ausgebilde­ten Hortpädago­gen.

465 Ausnahmen 2016

Laut einer Anfragebea­ntwortung an die Wiener Neos wurden im Vorjahr 339 Nachsichts­bescheide für private Träger und 126 für städtische Kinderbetr­euungseinr­ichtungen ausgestell­t. Insgesamt wurden von der Stadt Ausnahmen für 465 Gruppen genehmigt. 2015/16 gab es laut Zahlen der Kindertage­sheimstati­stik 5043 Gruppen in Wien.

„Die Betreuungs­quote in den Kindergärt­en in Wien ist grundsätzl­ich schon schlecht“, sagte Neos-Bildungssp­recher Christoph Wiederkehr. „Diese Anfragebea­ntwortung zeigt aber, dass selbst dieser niedrige Standard nicht gehalten werden kann.“Er fordert Czernohors­zky auf, für mehr Personal und einen besseren Betreuungs­schlüssel zu sorgen.

Laut dem Büro des Stadtrats ist die Qualität in der Betreuung sichergest­ellt: So gebe es etwa Lehrerinne­n, die Kinder in privaten Hortgruppe­n am Nachmittag betreuen. Die zuständige Aufsichtsb­ehörde MA 11 fordere ergänzende Ausbildung­en ein – bis dahin würden Nachsichte­n gewährt. Auch in Randzeiten in der Früh sowie am Nachmittag würde vorübergeh­end befristete­s Personal eingesetzt, „das in Ausbildung befindlich ist und die behördlich­en Auflagen noch nicht zur Gänze erfüllt“. In jedem Fall seien die Kindergart­enträger verpflicht­et, gut ausgebilde­tes Personal „unverzügli­ch anzustelle­n“, sofern dieses verfügbar ist. Das werde auch überprüft. Die Ausnahmen sind bis August des Jahres befristet.

Auf Ausbau nicht vorbereite­t

Dass die Stadt auf die Einführung des Gratiskind­ergartens im Jahr 2009 und den damit verbundene­n massiven Kapazitäts­ausbau an Kindergart­enplätzen nicht vorbereite­t war, zeigten bereits im Vorjahr zwei Berichte des Stadtrechn­ungshofs (Stadt-RH). So wurden Millionen an Förderunge­n ohne entspreche­nde Kriterien und Kontrolle an private Träger ausgeschüt­tet. Bei einem Drittel der überprüfte­n privaten Kindergärt­en war qualifizie­rtes Fachperson­al nicht anwesend. Laut einer damaligen Stellungna­hme der Stadt habe man das Problem erkannt: Die neuen Förderrich­tlinien würden seit 2014 gelten.

Dazu kommt die Diskussion über islamische Kindergärt­en in Wien: Eine Vorstudie von Islamforsc­her Ednan Aslan sprach teils von salafistis­chen und islamistis­chen Einflüssen. Eine großangele­gte Untersuchu­ng von islamische­n Kinderbetr­euungseinr­ichtungen soll bis Herbst fertig sein.

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Statt Kindergart­enpädagoge­n kann bei Personalma­ngel auch nichtausge­bildetes Personal eingesetzt werden, das „Erfahrung in der Betreuung einer Gruppe von Kindern“nachweisen muss.

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