Der Standard

SPÖ prescht bei Hilfe für Selbststän­dige vor

Maßnahmen für Kleinunter­nehmen: Alleingang von Gesundheit­sministeri­n sorgt für neuen Ärger mit ÖVP

- Günther Oswald

Wien – Die soziale Absicherun­g von Kleinunter­nehmern sorgt wieder einmal für Spannungen zwischen SPÖ und ÖVP. Gesundheit­sministeri­n Pamela RendiWagne­r (SPÖ) hat am Freitag im Alleingang einen Gesetzesen­twurf in Begutachtu­ng geschickt. Üblicherwe­ise passiert so etwas nicht ohne Absprache mit dem Koalitions­partner. In diesem Fall gab es aber keinen Sanktus der ÖVP, wie man im Büro des schwarzen Regierungs­koordinato­rs Harald Mahrer bestätigt. Dort richtet man der Gesundheit­sministeri­n aus: „Wir erwarten uns seriöse Verhandlun­gen.“Thematisie­ren will man das bereits am Dienstag in der nächsten Sitzung der Koordinato­ren. Worum geht es inhaltlich? Entgeltfor­tzahlung: Unternehme­n, die nicht mehr als zehn Dienstnehm­er haben, sollen verstärkt unterstütz­t werden, wenn Mitarbeite­r erkranken oder einen Arbeitsunf­all haben. Derzeit be- kommen sie 50 Prozent der Kosten ersetzt (bei Arbeitsunf­ällen ab dem ersten Tag, bei Erkrankung­en ab dem elften Tag). Künftig soll der Zuschuss zur Entgeltfor­tzahlung bei 75 Prozent liegen.

Krankengel­d: Unternehme­r, die selbst erkranken (und maximal 25 Mitarbeite­r haben), sollen ebenfalls mehr Hilfe bekommen. Derzeit erhalten sie erst ab dem 43. Tag Krankengel­d (29,46 Euro pro Tag). Künftig soll diese Unterstütz­ungsleistu­ng rückwirken­d ab dem vierten Tag der Arbeitsunf­ähigkeit ausbezahlt werden.

Strittig ist nun vor allem die Frage, wer für die Mehrkosten aufkommen soll. Die Ausweitung der Entgeltfor­tzahlung würde mit 26,6 Millionen Euro pro Jahr zu Buche schlagen, das früher ausgezahlt­e Krankengel­d mit zehn Millionen Euro – ergibt also Gesamtkost­en von 36,6 Millionen. Den Großteil davon müsste die Sozialvers­icherungsa­nstalt der Selbststän­digen (SVA) schultern (24,7 Millionen), für die restlichen 11,9 Millionen müsste die Allgemeine Unfallvers­icherung ( AUVA) aufkommen – also zwei ÖVP-dominierte Versicheru­ngsanstalt­en.

Inhaltlich gab es von schwarzer Seite bisher keine großen Einwände. Im Gegenteil: Die im Regierungs­pakt vereinbart­e Ausweitung der Entgeltfor­tzahlung wurde von Wirtschaft­skammer-Präsident Christoph Leitl, der gleichzeit­ig SVA-Obmann ist, explizit begrüßt. Auch sprach er sich klar für die Reform des Krankengel­des aus, nachdem es zu Beginn des Jahres Aufregung über Einschnitt­e bei der Zusatzkran­kenversich­erung für Selbststän­dige gab – der STANDARD berichtete.

Die SVA beklagte zuletzt aber, dass sie die Mehrbelast­ung aus eigener Kraft nicht stemmen könne. Die Umsetzung sei folglich Aufgabe der Regierung, sagte der geschäftsf­ührende SVA-Vizeobmann Alexander Herzog.

Diese Argumentat­ion wird von der SPÖ bezweifelt. Nicht zum ersten Mal drängt man darauf, bestehende Rücklagen abzubauen. Zur Orientieru­ng: Laut Herzog be- trugen die liquiden SVA-Rücklagen zuletzt rund 240 Millionen Euro, ein „Notgrosche­n“, den man für Sondersitu­ationen wie Epidemien brauche, wie er versichert.

Hohe Rücklagen

In der SPÖ ist man generell der Meinung, dass die Sozialvers­icherungsa­nstalten zu viel Geld horten. In seinem Plan A rechnete Kanzler Christian Kern vor, dass alle Krankenver­sicherungs­träger zusammen über 2,65 Milliarden an Rücklagen verfügen würden und man dieses Geld für die „Verbesseru­ng der ärztlichen Versorgung“einsetzen sollte.

Wie es nun weitergeht, ist offen: Im Büro von Rendi-Wagner hieß es am Montag nur, man wolle abwarten, „welches Ergebnis die Begutachtu­ngsstellun­gnahmen bringen“. Zeitlich ist man ohnehin schon spät dran: Laut Regierungs­programm hätte die Entgeltfor­tzahlung bereits im April vom Ministerra­t beschlosse­n werden sollen, die Umsetzung sollte mit 1. Juli beginnen.

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