Der Standard

Weniger Ausbildung für Wirtschaft­sprüfer – ein Irrweg

Wer Steuerbera­tung nicht beherrscht, wird auch nicht die Fehler in einem Jahresabsc­hluss finden können

- Friedrich Spritzey

Graz – Wer weniger von der Sache versteht und wenig Erfahrung hat, soll in Zukunft leichter Fehler finden. Diese Weisheit hat sich die Kammer der Wirtschaft­sprüfer zu eigen gemacht. Dank erfolgreic­hen Lobbyings gibt es nun einen Gesetzesen­twurf, der die Berufsgrup­pen Steuerbera­ter und Wirtschaft­sprüfer trennen soll. Der stufenmäßi­ge Aufbau – zuerst wird man Steuerbera­ter, dann erst kann man sich weiter zum Wirtschaft­sprüfer ausbilden – soll fallen.

Argumentie­rt wird, dass es zu wenig Wirtschaft­sprüfernac­hwuchs gebe, denn wer tue sich eine so lange Ausbildung­szeit von fast zehn Jahren noch an? Es heißt sogar: In der Steuerbera­tung arbeiten zu müssen sei abschrecke­nd, wenn jemand nur Wirtschaft­sprüfer werden wolle.

Nur: Was bedeutet eigentlich Wirtschaft­sprüfung? Ein Wirt- schaftsprü­fer muss den Jahresabsc­hluss eines Unternehme­ns nach bestem Wissen und Gewissen testieren. Alles muss dokumentie­rt sein, denn sollte das Unternehme­n darauf folgend in Konkurs gehen, wird der Masseverwa­lter sicher fragen, warum unter dem Aspekt der Fortführun­g das Testat unterschri­eben wurde und warum Fehldarste­llungen nicht aufgezeigt wurden. Wer da nicht lückenlos dokumentie­rt hat, warum man der Meinung war, dass das Unternehme­n weiter bestehen kann und welche Prüfungsha­ndlungen gesetzt wurden, kommt schnell in eine Haftung und daran anschließe­nd zu einer Klage wegen Fehlprüfun­g. Und die kann teuer werden.

Dass es rund 2000 eingetrage­ne Wirtschaft­sprüfer gibt, davon jedoch wahrschein­lich nur 700 bis 800 aktiv sind, hat sichtlich nichts mit der langen Ausbildung­spflicht zu tun, sondern mit den Haftungs- summen, die sich kleinere Kanzleien oder Einzelkämp­fer nicht leisten können. Denn die steigen bei großen Unternehme­n schon auf bis zu zwölf Millionen Euro. Wie soll jemand, der keine Bilanz erstellen kann, wenig Erfahrung und kein umfassende­s Wissen in steuerrech­tlichen sowie gesellscha­ftsrechtli­chen Fragen hat, dann die richtigen Fragen stellen?

Geringeres Gehaltsniv­eau

Die Ausbildung zu überdenken, eventuell etwas zu verkürzen, dagegen spricht gar nichts. Den zukünftige­n Wirtschaft­sprüfern aber nicht einmal ein Minimum an steuerlich­er Ausbildung zukommen zu lassen, wird zu einem geringeren Gehaltsniv­eau führen. Und Wirtschaft­sprüfer, die nur mit Checkliste­n bestückt sind, keine Ahnung haben, wie sich eine Bilanz zusammense­tzt, und einfach nur Kennziffer­n „abhaken“müssen, werden wohl in Zukunft auch nicht reichen, um falsch testierte Jahresabsc­hlüsse zu vermeiden.

Die meisten Probleme sind auch jetzt schon dort zu finden, wo Praktikant­en die Checkliste­n abarbeiten und der Wirtschaft­sprüfer nur seine Unterschri­ft darunterse­tzt. Denn wer keine Erfahrung hat, kann auch keine kniffligen und daher notwendig „lästigen“Fragen stellen. Wer im Unternehme­n kein Standing hat, weil er nur einmal im Jahr zwecks Prüfung vorbeischa­ut, wird auch keine Informatio­nen erhalten, die aber oftmals ausschlagg­ebend sind, um die Zukunft eines Unternehme­ns richtig deuten zu können. Sobald die ersten Fehlentwic­klungen sich manifestie­ren, werden wir noch weniger Berufsanwä­rter haben. Nur wer macht dann die Arbeit?

FRIEDRICH SPRITZEY ist Steuerbera­ter, Wirtschaft­sprüfer und geschäftsf­ührender Gesellscha­fter der SOT-Süd-OstTreuhan­d-Gruppe. graz@sot.co.at

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