Der Standard

Vito Acconci 1940–2017

Der Künstler, Designer und Architekt starb 77-jährig

- Wojciech Czaja

New York – Ein Leben lang hatte der in der Bronx geborene Allroundkü­nstler Angst vor Flugzeugen. In seinem Brief an einen Unbekannte­n (1971) schrieb er vor einem Flug: „Im Falle meines Todes darf dieses Kuvert von der erstbesten Person geöffnet werden. Sie wird die Freiheit haben, mein Apartment und all seine Inhalte – auf welche Art auch immer – frei zu nutzen.“Über den nun aktuell gewordenen Brief und seinen Finder ist nichts bekannt. Nun ist Vito Acconci, dessen Leben seine Frau Maria Acconci als „eine einzige Möbiusschl­eife“bezeichnet, 77jährig in New York gestorben.

Schon während seines Literaturs­tudiums findet Acconci den Weg zur Poesie, gibt das Literaturm­agazin 0 to 9 heraus, verlässt diesen Bereich aber, als er merkt, dass er dafür „zu nervös, zu ruhelos“ist. Er widmet sich der performati­ven Kunst und führt in dieser Zeit, die er als „eine Art Fieber“bezeichnet, Auftritte und Performanc­es in Galerien und öffentlich­en Räumen durch. Bekannthei­t erlangte er 1972 mit Seedbed, als er unter einem Holzboden in der Sonnabend Gallery in SoHo mit dem Publikum kommunizie­rte und das Mikrofon nicht einmal beim Masturbier­en auf Off stellte. Die meisten seiner folgenden Performanc­es wurden nicht dokumen- tiert, verschwand­en so im Äther der Zeit. Erst mit dem Bauen brachte er sich wieder aufs Tapet der Medienwelt. 1992 schuf Acconci mit Steven Holl eine bewegliche Fassade für die Art and Architetur­e Gallery in SoHo. Mit Courtyard in the Wind entwickelt­e er einen drehbaren, mit Windkraft angetriebe­nen Gartenweg in München. Zum Grazer Kulturhaup­tstadtjahr 2003 setzte er seine weltberühm­te Murinsel in den Fluss.

„Was mich immer geärgert hat, ist die Lage der Murinsel“, sagte Acconci im STANDARD- Interview. „Ich hatte an eine Insel gedacht, die frei in der Flussmitte schwimmt, rundherum von Wasser umgeben ist. Doch der Wasserstan­d ist zumeist so niedrig, dass die Insel mehr einer stehenden Brücke als einem schwimmend­en Objekt gleicht.“Auch in Wien plante er eine Brücke, eine über den Wienfluss, doch das Projekt wurde gestoppt. In den letzten Jahren definierte sich der ehemalige Künstler Acconci, der sich zuletzt vor allem mit Vorträgen und Lehrtätigk­eit über Wasser hielt, in erster Linie als Designer. „Design ist alltäglich­er, es ist mitten im Leben“, sagte er. „Ein Messer, eine Gabel und einen Löffel zu entwerfen macht mich heute glückliche­r, als Kunst zu machen.“Acconci hinterläss­t, ohne je einen Brieföffne­r entworfen zu haben, ein großes immateriel­les Erbe.

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Foto: Kern Architekt der Grazer Murinsel – Vito Acconci.

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