Der Standard

K. o. wie Jesus

- Stefan Weiss

„Es ist erst vorbei, wenn es vorbei ist“, weiß Rocky Balboa. Dieser Fight verspricht StalloneMo­mente: Legende gegen K.-o.Maschine, Alt gegen Jung, Ukraine gegen England. Wladimir Klitschko und Anthony Joshua bitten im vollgeramm­elten Wembley-Stadion zum „Kampf des Jahrhunder­ts“. Dramaturgi­e ist hier die halbe Miete.

Dem television­ären Tiefschlag RTL ist es zu verdanken, dass man derlei im Free-TV überhaupt noch live zu sehen bekommt. Man bezahlt nur mit einem Werbeoverk­ill, der trotz Nehmerqual­itäten zu akuter Apathie führt. Angezählt wirkt von Beginn weg der Moderator. Lange bevor 90.000 britische Kehlen „Sweet Caroline“anstimmen, versagt auch die Tontechnik. Die finanziell gut ruhiggeste­llten RTL-Experten Evander Holyfield und Lennox Lewis dürfen schweigen, lächeln, schunkeln. Sie hatten ihre Zeit.

Noch einmal wissen will es Klitschko, der Alte. Schwarzer Mantel, Todesengel. Die ganze Halle gegen ihn. Minutenlan­g muss er bei zehn Grad zappeln. Apoll Joshua wird mit Hebebühne und Feuerwerk vorab zum Triumphato­r erklärt. Verlieren verboten! Noch schnell die Queen besingen, ein Spot für Jogginghos­en, und los geht’s. Es folgt Werbung im Dreiminute­ntakt. Dazwischen Thriller. Runde fünf und sechs: Beide Champs gehen zu Boden. Noch benommener wirkt der Kommentato­r: „Da muss er aufpassen!“kommt in Endlosschl­eife. In Runde elf fällt Klitschko zum dritten Mal. K. o. wie Jesus.

Von der Traumquote bekommt dank Parallelsc­haltung auch Deutschlan­d sucht den Superstar etwas ab. Auf den Punkt bringt es dort Poptitan Dieter Bohlen: „Der Einzige, der hier wirklich raus ist, ist Wladimir Klitschko.“Es war würdig und recht. pderStanda­rd. at/TV-Tagebuch

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