Kern nimmt Koalitionsbruch zur Kenntnis
Zwei Tage nach der schwarzen Neuwahlforderung räumte auch SPÖ-Chef Christian Kern ein, dass ein vorzeitiger Urnengang unumgänglich sei – bis dahin will er der ÖVP im Parlament einiges abverlangen.
Sonntagmittag, am Pult der ORF- Pressestunde, gestand Kanzler und SPÖ-Chef Christian Kern ein: „Das Tischtuch ist zerschnitten“– die Koalition sei zu Ende, Neuwahlen im Herbst seien unumgänglich.
Zuvor hatte Kern mehrmals ostentativ seine „Hand“in Richtung Sebastian Kurz, Außenminister und ÖVP-Obmann in spe, „ausgestreckt“– doch damit war am Wochenende dann Schluss. Denn: Mit seiner Forderung nach Neuwahlen am Freitag habe Kurz vor laufenden Kameras den Bruch herbeigeführt, erklärte Kern.
Dennoch will der SPÖ-Chef den bisherigen Regierungspartner im Parlament nun in die Pflicht nehmen – und zwar vor allem bei den anvisierten Vorhaben, die im gemeinsamen Übereinkommen im Jänner noch mit Unterschriften paktiert wurden, von der Aktion 20.000 für ältere Arbeitslose über den Mindestlohn bis hin zu einer Staatsreform (siehe dazu rechts).
Parallel dazu schließt Kern rote Alleingänge mit den Oppositionsparteien nicht aus – etwa einen angekündigten Antrag der Neos zur vollständigen rechtlichen Gleichstellung von Homo-Ehen zu unterstützen.
Mit VdB im Gespräch
Ob die SPÖ einem Neuwahlantrag der ÖVP doch zustimmen wird, hängt aber vom Verhalten von Kurz, Mahrer und Co in den nächsten Tagen ab. Dazu versicherte Kern, dass er keine Ablöse der ÖVP-Minister vor der Wahl anstrebe, weil er das Land „mit Sicherheit nicht ins Chaos stürzen“wolle. Angesichts „der massiven Regierungskrise“ist der SPÖ-Chef mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen im Gespräch. Warum sich Kern auch gegen einen raschen Beschluss von Neuwahlen stemmt: Weil ein Abdrehen des Untersuchungsausschusses zu den Eurofightern, gerade erst gestartet, für „eine ganz schlechte Optik“sorgen würde.
Zum ÖVP-Vorstand am Sonntagabend, bei dem Kurz als ÖVPChef inthronisiert wurde, hielt der Kanzler in Anspielung auf dessen sieben Forderungen an seine eigene Partei fest, dass es hier vor allem „um Formalia, Statuten und Geschäftsordnungen“gehe, kaum aber darum, was man für das Land weiterbringen könne.
Ablösedebatte zu Sobotka
Seit Kern selbst vor einem Jahr den Vorsitz in der SPÖ übernommen hat, sieht er sich mit „Obstruktionen“eines Teils der ÖVP konfrontiert, betonte er. Nicht in Abrede stellte der Kanzler, dass er deswegen vergangene Woche mit Reinhold Mitterlehner als Noch-ÖVP-Chef „kurz darüber diskutiert“habe, ob man Wolfgang Sobotka (ÖVP) als Innenminister ablösen könne. Doch das sei daran gescheitert, dass Mitterlehner damit keine Turbulenzen in seiner Partei auslösen wollte, die zum Bruch der Regierung hätten führen können. Zur Erinnerung: Sobotka hat Kern als Kanzler zuletzt „Versagen“vorgeworfen.
Auf einen Termin für den vorgezogenen Urnengang wollte sich Kern nicht festnageln lassen. Eine Minderheitsregierung strebt er dezidiert nicht an, weil dieses Szenario wohl keine politische Mehrheit finde. Auch ob er nach dem Wahltag eine rot-blaue Regierung für möglich halte, wollte der SPÖ-Chef nicht beantworten, denn zuerst müsse der rote Kriterienkatalog für potenzielle Koalitionspartner raschest fertiggestellt werden (Details dazu auf Seite 4).
Eine eigenständige Liste wie Kurz strebt Kern keinesfalls an, erklärte er, denn: Er geniere sich nicht für die SPÖ und ihre Werte. Im Gegenteil, sagte der Kanzler: „Darauf bin ich stolz.“(nw)