Der Standard

Kritik an SPÖ-Parteiführ­ung bei Kaffee und Kuchen

Die Querelen bei den Wiener Roten gehen weiter. SPÖ-Simmering-Chef Harald Troch kritisiert, dass die aktuellen Stadträte die Probleme in den Außenbezir­ken nicht nachvollzi­ehen könnten. Troch macht das auch beim Kaffeekrän­zchen im Gemeindeba­u zum Thema.

- Oona Kroisleitn­er

Wien – Ein kleines weißes Schild, auf dem „Herzlich willkommen“steht, und eine rote Fahne sind die einzigen Hinweise auf den recht unscheinba­ren Eingang des Vereinslok­als der SPÖ-Sektion 12 in Simmering, das mitten im KarlMaisel-Hof im elften Wiener Gemeindebe­zirk liegt. Die Stufen hinunter stehen Erdbeerpfl­änzchen, die als Muttertags­geschenke ausgegeben werden. Besonders ältere Frauen, die nicht mehr ganz mobil sind, sollen hier ihren Nachmittag mit der SPÖ bei Kaffee, Kuchen und passender Schlagermu­sik verbringen können. Das engagierte Duo spielt Du bist die Blume aus dem Gemeindeba­u von Wolfgang Ambros.

Seit der ehemalige Vorsitzend­e der Sektion 12, Gerhard Raub, im Jänner mit seinem ganzen Team aus Protest gegen den Bezirksche­f der SPÖ, Harald Troch, zurückgetr­eten war, hat sich die Sektion neu aufgestell­t. Durch Veranstalt­ungen wie den „Muttertags­kaffee“will sie die verlorenen Simmeringe­r-SPÖ-Wähler wieder zurückgewi­nnen. Bei den WienWahlen 2015 verlor die SPÖ die Mehrheit in dem traditione­llen Arbeiterbe­zirk. Die Bezirksvor­stehung ging an die Freiheitli­chen.

Unterstütz­ung erhält die Sektion bei ihrer Neuorganis­ation von Troch. Bei seiner Ankunft in den Souterrain-Räumen grüßt er alle Besucher einzeln und hört sich geduldig ihre Geschichte­n an.

Vom Parteirebe­llen hagelt es Kritik an der Wiener-Führungsri­ege, die nur noch „Politik für die Mittel- und Oberschich­ten macht“. Was die eigentlich­e Kernklient­el der SPÖ, die Arbeitersc­haft brauche, sei in seiner Partei kein Thema mehr.

Es fehlten das Geld und der Wille zu Investitio­nen in den Außenbezir­ken. Stattdesse­n würde die Stadt „Millionen in die Mariahilfe­r Straße hineinbutt­ern“und unnötige, teure Bürgerbefr­agungen abhalten. „Der sechste Bezirk hat vier UBahnen, wir haben nur Probleme mit dem 71er. Die Leute kommen nicht mehr in die Bettenburg­en in der Vorstadt“, kritisiert Troch im Gespräch mit dem STANDARD. In Simmering gebe es kein einziges Spital, kein Theater, die „Konzentrat­ion des Kulturbudg­ets“fließe in die Innenstadt: „Die Bobos setzen sich in der Partei durch.“

Das hänge vor allem auch an der Zusammense­tzung SPÖ-Stadträte: „Das sind alle Personen, die von den Problemen in den Außenbezir­ken nichts wissen“, sagt Troch, der sich „mehr Realos“in der Stadtregie­rung wünscht. Derzeit würde viel „theoretisi­ert und moralisier­t“– besonders in der Flüchtling­sfrage. „In Simmering fühlen sich die Leute nicht mehr verstanden“, sagt Troch. Hier seien 2015 die Flüchtling­squartiere eingericht­et worden, nicht in den Innenstadt­bezirken. Das subjektive Sicherheit­sgefühl lasse nach.

Stadt zählt Investitio­nen auf

Dass es zu keinen Investitio­nen in Simmering gekommen sei, verneint die Wiener SPÖ. Sie listet ein Dutzend Projekte auf, die die Stadt in den vergangene­n Jahren umgesetzt habe. Darunter ein neuer Kindergart­en, eine Ganztagssc­hule, ein Pflegewohn­heim, Wohnbau auf den ehemaligen Mautner-Markhof-Gründen und Förderunge­n für Simmeringe­r Unternehme­n in der Höhe von 6,1 Millionen Euro in den vergangene­n sechs Jahren. Zudem würden bis 2020 ein neues Speicherbe­cken als Überflutun­gsschutz und ein neuer Fußballpla­tz für Simmering kommen. Kulturange­bote finden sich in der Liste nicht.

Kritik, so sagt Troch, komme in der Partei nicht mehr an. „Wir haben nicht mehr die Situation, dass man in den Parteigrem­ien diskutiert. Kritik kommt erst an, wenn man sie in den Medien anspricht.“Dafür ist Troch bekannt, offen fordert er eine Neuaufstel­lung der Wiener SPÖ und damit einhergehe­nd, eine Nachfolger­egelung für Parteichef und Bürgermeis­ter Michael Häupl. „Ich mache mir Sorgen um das Wahljahr“, sagt Troch: „Sorgen um den nächsten Bürgermeis­ter.“

Dieser brauche Erfahrung, müsse die Arbeit mit den Magistrate­n kennen, solle „kein Quereinste­iger“sein. Die Werbetromm­el rührt Troch für Wiens Wohnbausta­dtrat Michael Ludwig. Dass er beim Parteitag mit nur 68 Prozent als einer von Häupls Stellvertr­eter gewählt wurde, sei eine „gezielte Aktion der Links-Ultras“gewesen.

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Die Bewohner von Gemeindeba­uten wie dem Friedrich-Engels-Hof in Wien-Simmering zählten lange zu den roten Stammwähle­rn. Doch die Partei mache keine Politik mehr für sie, sagt Harald Troch.
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Foto: APA/Fohringer Harald Troch, will mehr „Realos“in der Stadtregie­rung.

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